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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moore
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ihr ein Paar Handschellen zugeworfen und vielsagend mit den Augenbrauen gezuckt, was sie nicht sehr lustig gefunden hatte. Sie erinnert sich noch genau an den Geruch der Algen in dem Fluss, der am Museum vorbeifloss, wie immer er auch hieß.
    Du bist so fordernd, hatte er gesagt. Es war ein Schock für sie, wie verletzend er sein konnte. Aus irgendeinem Grund hatte sie das verletzt. Dabei wusste sie, dass sie fordernd war.
    Ihr Arm ist taub, sie spreizt die Finger, doch sie sind steif. Durch die Milchglasscheibe ihres Büros sieht sie die Mädels aus der Kostümabteilung im Flur an der Kaffeemaschine stehen, wahrscheinlich rauchen sie eine. Bezahlt sie die Leute etwa, damit sie herumstehen? Guy hat sich einen Stuhl herangezogen; vom Thema Oberlichter plötzlich gelangweilt, hat er ein Krabbensandwich aus seiner Mappe gezogen. Er wickelt es aus dem Wachspapier, greift nach einem Tütchen Pfeffer, das er mit den Zähnen aufreißt. Er klappt das Sandwich auf, tippt ein paarmal auf das Pfeffertütchen und schiebt ihr die eine Hälfte des Sandwichs herüber.
    Es ist nur ein Film, Madeleine, sagt er.
    Guy, sagt sie. Er hat fast gewonnen, und sie wissen es beide.
    Der Sommerdreh wird magnifique, sagt er. Er schwingt das Sandwich durch die Luft, um zu bekräftigen, dass er den Dreh in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit vor sich sieht.
    Guy, sagt sie. Er hat den Mund voll und schluckt, damit er etwas sagen kann.
    Wir werden Farben haben, Madeleine, sagt er. Sie und Marty hatten einen deutschen Maler kennengelernt, der in Marrakesch lebte. Große abstrakte Farbexplosionen, orangefarbene Glut, die durch den Nachthimmel flog, Rauch, es hätte der Urknall sein können oder Dresden oder irgendeine zukünftige Apokalypse. Sie blieben vor jedem der Gemälde ein Weilchen stehen, und dann klatschte der Deutsche zweimal in die Hände, worauf ein Hausmädchen mit einer Schüssel Mandarinen erschien, und später erfuhren sie, dass er ein ehemaliger Nazi war, der kleine Jungen mochte.
    An diesem Nachmittag hatten sie auch die Schlange gesehen. Die Schlange in der Medina; sie erinnert sich daran, wie sie das Rasseln in dem geflochtenen Korb hörte, ein uralter Shimmy, ein Todestanz. Wie viele Menschen bekommen das in ihrem Leben zu hören?
    Guy zieht die Tabelle von ihrer Seite des Schreibtischs zu sich herüber, er fährt mit dem Finger über die Zahlenkolonnen, eine Unverschämtheit – was versteht er schon vom Budget, wie kann er es wagen? Aber zur Abwechslung mal einem Mann die Entscheidung zu überlassen, die Verantwortung abzugeben, nur einen kleinen Augenblick lang, sich dumm zu stellen – sie erwägt es.
    Ein fast nackter Mann hatte dort in der Medina, von einer Menschenmenge umringt, den Deckel des Korbes mit dem Zeh weggestoßen und spielte nun auf einer schrillen Flöte. Eine Schlange wand sich aus dem Korb, bis sie etwa sechzig Zentimeter in die Höhe ragte. Madeleine sah, dass das Maul des Tiers zugenäht war. Schweiß benetzte ihr Gesicht, tropfte ihr in den Nacken. Der Lärm der Medina, die klagende, schrille Melodie der Flöte waren von einer neuen, geradezu unirdischen Intensität.
    Ein Eselskarren fuhr hinter ihr vorbei, und in dem Quietschen der Räder vermutete sie einen raffinierten Kode, jedes Rad brachte eine synkopierte Folge von Strichen und Punkten in einer so hohen Frequenz hervor, dass nur Hunde und Amateurfunker sie dechiffrieren konnten.
    Marty sah, dass ihre Augen glasig geworden waren, und die nächsten drei Tage hatte sie Fieber, zitterte und schiss und kotzte. Es war eine Krankheit, die sie nie mehr ganz loswurde und die über die Jahre mit immer neuer Kraft wiederkehrte und sie in einen Zustand versetzte, als hätte man mit dem Hammer auf sie eingeschlagen, meist im dunkelsten Winter, wenn sie mitten in einer Filmproduktion steckte. Sie steckte immer mitten in einer Filmproduktion.
    Dauermaloche nannte ihre Schwester Beverly das. Ich bring dir eine Suppe vorbei, sagte Beverly, jedesmal wenn Madeleine krank war. Bleib liegen, ich bring dir eine Suppe vorbei.
    In Marrakesch hatte sich Marty um sie gekümmert. Er hatte ihre Haut zwischen die Finger genommen und leicht gedrückt, um zu überprüfen, wie stark sie dehydriert war, und dann war er durch die schmalen Gassen der Medina gelaufen, vorbei an den stinkenden Bottichen mit Urin, wo Leder gefärbt wurde, an den lichtdurchwirkten Bannern aus fuchsienroter und violetter Baumwolle, an den Ständen mit Gewürzen, die zu kegelförmigen Haufen in mattem

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