Im Rachen des Alligators
Kleid, das locker saß und raschelte, wenn sie sich bewegte. Ihre Schultern waren nackt bis auf die schmalen Träger, und sie war braungebrannt. Er fand, dass die Sonnenbrille ihr etwas Erwartungsvolles gab.
Isobel hatte das Gras im Vorgarten zu lang werden lassen, und Valentins Hosenbeine waren taunass. Als er aufs Haus zuging, hatte er gesehen, dass die Haustür von Raupen übersät war. Mit einem Prospekt aus ihrem Briefkasten wischte er das Türfenster frei. Dann klopfte er.
Während er in der Sonne stand, hatte er das Gefühl, das Haus sei leer. Wenn sie nun die Polizei gerufen hatte? Er wusste, wie ihr Wohnzimmer um diese Zeit aussah, die Sonne schien durch das Blätterdach herein, ein Spiel von Licht und Schatten, und es war kühl. Wenn nun vier oder fünf Polizisten still wartend um den Wohnzimmertisch saßen? Das Benzin, das gesamte Benzin, war im Keller.
Er hatte ihr die Hände um den Hals gelegt und gedroht, sie umzubringen, und gleichzeitig hatte er ihr viel Geld versprochen. Ihre Gesichter waren sich so nahe, dass er sehen konnte, wie ihre Kontaktlinsen mit jedem raschen Blinzeln auf dem Augapfel nach oben und dann wieder langsam nach unten glitten. Er drückte ihr die Kehle zu, die Poren auf ihren Wangen sahen groß aus, um die Nasenlöcher herum waren kleine Äderchen zu sehen, und diese Zeichen des Alters machten ihm Angst. Sie war alt, und er konnte nicht verlässlich einschätzen, was sie als nächstes tun würde. Er hatte gesagt, dass er sie umbringen würde, und ihr auch die Alternative geschildert: die Boutique, in der auf samtüberzogenen Sockeln Parfumflakons ausgestellt waren, die so viel kosteten, dass sie nur einen pro Woche würde verkaufen müssen.
Wenn das Haus nicht leer war, saß Isobel wahrscheinlich vor ihrer Frisierkommode und legte ihre Ohrringe an. Sie hatte welche aus Pfauenfedern, jeweils mit einer winzigen Silberkugel beschwert. Es konnte gut sein, dass Isobel vor ihrer Frisierkommode mit dem dreiteiligen, aufklappbaren Spiegel saß – Isobel aus verschiedenen Blickwinkeln – und ihn warten ließ. Er würde warten. Es machte ihm nichts aus zu warten.
Im Türfenster spiegelten sich schemenhaft Bäume, Wolken und Telefonleitungen. Als er die Nase an die Scheibe drückte, sah er Isobels Sandaletten auf der geflochtenen Fußmatte stehen. Die Lederriemchen waren mit bunten Glasperlen besetzt. Er hatte noch im Ohr, wie es klang, wenn sie damit die Treppe hinunterrannte.
Er stellte sich vor, wie Isobel durch die Haustür trat, die Sandaletten abstreifte und barfuß in die Küche ging. Er stellte sich vor, wie sie im Mixer Eiswürfel zerkleinerte. Sie hatte hohe Gläser für Sommerdrinks, und er stellte sie sich nach einem Probentag vor, erhitzt und errötet.
In jedem Zimmer standen Bücherregale, und auf Couchtischen, Treppenstufen, dem Waschtisch im Bad lagen aufgeklappte Taschenbücher herum. Isobel las in der Badewanne und auf dem Treppenabsatz. Sie ließ Schals über Stuhllehnen hängen. Eines Nachmittags war er in ihr Schlafzimmer gekommen, und da hatte sie in der Hitze nackt auf dem Bauch gelegen, mit den überkreuzten Knöcheln gewippt und gelesen; auf ihrem Kreuz schimmerte der Schweiß.
Hör mal, hatte sie gesagt. Der Eismann. Er hörte die Klingel. Aber dann war es jemand, der Wurzelgemüse verkaufte. An einem anderen heißen Nachmittag rackerte sie sich gerade auf dem Laufband ab, als er kam, und auch dabei hatte sie gelesen.
Um das Laufband war es schade. Er könnte gutes Geld dafür kriegen, das wusste er, aber er hatte beschlossen, nichts aus dem Haus herauszunehmen. Es war eine Regel; er gab viel auf Regeln. Was immer der geballten Faust seines Plans zu entschlüpfen drohte, konnte durch eine knallharte Regel festgehalten werden. Lass das Laufband da. Lass die Katze da. Lass das Klavier und ihre Schals und Bücher da. Lass ihren Schmuck und die Medikamente da. Er würde sich nicht wegen eines gebrauchten Laufbandes schnappen lassen.
Über der Wohnzimmertür war ein chinesischer Schirm aufgespannt. Sie besaß eine Sammlung von Masken, die aus Kokosnüssen geschnitzt waren und ihr viel bedeuteten. Das alles würde im Nu in Flammen aufgehen.
Den Sommer über hatte sie oft für ihn Klavier gespielt. Sie saß aufrecht auf der Bank, die Schultern gestrafft. Es war eine Musik, mit der er nichts anfangen konnte, dissonant und voller Aufruhr. Manchmal lehnte er sich ans Klavier und betrachtete ihr Gesicht, während sie spielte. Ihre Nasenflügel waren gebläht, die
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