Im Rachen des Alligators
die Milch aus den Brüsten schoss. Die Flecken auf der rohseidenen Jacke bekam sie nie mehr heraus.
Vor drei Jahren war Beverly Helen French in der Bäckereiabteilung des Dominion an der Ropewalk Lane zufällig über den Weg gelaufen. Es war Colleens vierzehnter Geburtstag, und Beverly wollte ihr einen Geburtstagskuchen besorgen. Die Arme fest vor der Brust verschränkt, stand sie da und klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den gefliesten Boden, während das Mädchen hinter der Theke rosa Zuckerguss durch die Tülle eines Spritzbeutels drückte. Am Morgen hatte jemand Beverlys Haus mit Rasiercreme verunstaltet.
Helen hatte Beverly leicht auf den Arm geklapst, und Beverly war erschrocken. Die Schmierereien auf ihren Fenstern hatten sie verängstigt, aber als sie Helen vor sich sah, freute sie sich ungemein.
Helen, die sechs Kinder in die Welt gesetzt hatte, und dann hatte ihr Mann mit einer Frau vom Festland angebändelt, und wenig später hatte sie aus Saudiarabien einen Auftrag für ein Tischtuch bekommen. Irgendein arabischer Prinz wollte seinen ganzen Palast mit Helens Arbeiten ausstatten. Helen war in die Wüste gereist, in der Telegram war ein Bild von ihr gewesen, das sie winkend auf dem Rücken eines Kamels zeigte, einen Safarihut auf dem Kopf. Und jetzt stand sie hier im Dominon mit Zucchini in der Hand.
Hatte Helen nicht wieder geheiratet? Das junge Mädchen hinter der Theke biss sich vor Konzentration auf die Lippe. Beverly sah, wie sie den Spritzbeutel schwungvoll anhob, nachdem sie das n von Colleen geschrieben hatte.
Helen sagte: Mein Gott, Beverly, ich habe davon gehört. Es tut mir so leid.
Es kam völlig überraschend, dass jemand auf diese Weise Davids Tod erwähnte, an einem Samstagmorgen im Supermarkt. Beverly hatte zwei Hummer für das Geburtstagsessen im Einkaufswagen liegen, und sie sah, wie der eine zaghaft seine Schere mit dem grünen Gummiband darum anhob und wieder senkte, als wäre er erschöpft. Sie hatte es immer David überlassen, die lebendigen, sich noch bewegenden Hummer in das kochende Wasser zu geben. Sie spürte ein Prickeln auf der Kopfhaut, auf das womöglich Tränen folgen würden.
Das Mädchen hatte den Kuchen in eine Schachtel gelegt, die sie jetzt an der Seite mit Klebeband verschloss.
Es wird nicht leichter, sagte Beverly. Sie hatte das noch nie zu jemandem gesagt und schlug sich die Hand vor den Mund. Trauer lag am äußersten Rand des menschlichen Daseins. Sie stand schon zu lange an diesem Rand, und jetzt hatte man ihr Haus mit Rasierschaum besprüht. Jemand bedrohte ihre Tochter, darum ging es bei dieser Schmiererei, da war sie sich sicher. Man bedrohte ihre vierzehnjährige Tochter, die ihren Vater verloren hatte. Eine Drohung oder eine Beleidigung, die ihre Tochter verunsichern sollte. Das Mädchen hinter der Theke schrieb jetzt mit einem Textmarker – den Deckel hielt sie zwischen den Zähnen – den Preis des Kuchens auf die Schachtel, und Beverly wurde von Dankbarkeit übermannt, weil Helen sie verstand, sie dazu gebracht hatte, mitten im Supermarkt zu sagen, es sei schwer, ja, sehr schwer – sie war von solcher Dankbarkeit erfüllt, dass sie schließlich sieben maßgefertigte Zierdeckchen bestellte, eins für jede verfügbare Oberfläche in ihrem neuen Haus.
Das muss einfach sein, Helen, sagte sie.
Dampf stieg von ihrem Kabeljau auf. Colleen wird von einem öffentlichen Telefon aus anrufen, das weiß Beverly. Von irgendeiner Tankstelle – wahrscheinlich trampt sie – an einer achtspurigen Schnellstraße. Irgendwo auf dem Land in Louisiana, hatte es in ihrer letzten Nachricht geheißen.
Das Stückchen Filet zitterte auf ihrer Gabel. In dem durchscheinenden Fisch war eine weinrote, haarfeine Ader zu sehen. Beverly machte seit einem halben Jahr Diät. Sie hatte Alkohol und Zucker gestrichen. Aß ihren Toast ohne Butter. Die Diät bedeutete, dass sie ständig Hunger hatte.
Der Fisch war nicht durch. Er hätte weißer sein sollen. Das Telefon wird klingeln, sobald sie sich den Fisch in den Mund schiebt.
Colleen überquert gerade einen Parkplatz und hält auf eine Reihe öffentlicher Telefone zu, Beverly sieht sie deutlich vor sich. Die Telefonkabine wird von der Sonne aufgeheizt sein und nach Zigaretten und einem Hauch von Urin oder verschüttetem Bier riechen. Colleens Rock bauscht sich im warmen Wind Louisianas.
Beverly war an Colleens vierzehntem Geburtstag früh aus dem Haus gegangen, um den Kuchen zu holen. Er sollte eine Überraschung sein. Sie
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