Im Rachen des Alligators
abgetretenen Perserläufer, und hörte Beverly beim Spielen zu.
Mrs. McCarthy, die Haushälterin, häutete in der Küche die Kaninchen. Ihre Fingerknöchel wurden weiß, während sie das Fell vom Fleisch riss. Das lilarote Fleisch, das auf den zarten Knochen saß, von gelben Fettsträngen marmoriert. Fünf Kaninchen im Spülbecken, über die kaltes Wasser lief.
Das Hackmesser sauste herunter, und eine Pfote fiel vom Küchenbrett. Madeleine steckte sie in ihre Kleidtasche.
Mrs. McCarthy strich sich mit ihren roten, aufgesprungenen Händen über die Schürze und nahm den Kessel vom Herd. Ihr Gesicht war fleckig, und ein Zierkamm baumelte an einer losen Strähne ihres zum lockeren Zopf geflochtenen Kraushaars.
An jenem Sonntag waren sie zur Fünf-Uhr-Messe in die Basilica gegangen, und Father Dunphy hatte die Hostie hochgehalten. Irgendetwas war im Dachgestühl von einem Balken zum anderen geflogen. Das gläserne rote Gewand Jesu leuchtete in der Sonne auf, das Weiß seiner nach unten gerichteten Augen, seine Hand, sein Blut. Der Chor sang, Mrs. Hills hohes Tremolo überlagerte alle anderen Stimmen. Mrs. Hill hatte den Truthahnimbiss vorbereitet, zweihundert Pappteller mit winzigen Portionen Früchtecocktail in grünem Gelee, Süßkartoffelhappen, trockenem Truthahn und einem Stück roher Karotte, um das eine perlgraue Scheibe kalter Braten gewickelt war.
Im dunklen Wohnzimmer hämmert Beverly die Töne heraus, sie spielt mit vollem Einsatz. Bei den tiefen Tönen vibrieren die hölzernen Stäbe des Treppengeländers. Licht flutet über die Fensterscheibe, ein Auto fährt vorbei, und jeder Tropfen wird von einem grellen Weiß erfüllt. Der Glanz springt von einem Tropfen zum nächsten. Beverly erwischt einen falschen Ton, fängt sich aber wieder; sie ist eine Eisläuferin, die über den Teich saust, und die Spitze ihres Schlittschuhs bleibt hängen, ihr Herz, ihre roten Handschuhe – was war es? Mozart? –, aber sie findet die Balance wieder und gleitet weiter, die letzten paar Töne wie das vorbeiziehende Scheinwerferlicht, das alles erleuchtet und als letztes auf die kristallene Karaffe auf dem Beistelltisch fällt, sie aufbricht, sodass Lichtreflexe über die Wände blitzen, über das Klavier, Beverlys Rücken, das Porträt ihres Großvaters in dem gewölbten Rahmen, seine Augen, die Staubschicht. In der Küche fällt ein Topfdeckel zu Boden.
Beverly hört auf zu spielen. Die Klavierbank knarrt. In einer Emailleschüssel liegen verbotene Pralinen, und Madeleine sieht, wie Beverly sich eine nimmt. Madeleine ist verblüfft über diese Dreistigkeit. Die Schokolade schmilzt in Beverlys Mund. Draußen knirschen Räder auf dem Kies. Beverly berührt zögernd die Tasten, die Musik fließt jetzt zäher, die Kirsche in der Mitte, der saure Likör, dunkle Schokolade.
Ein Mann steht vor der Tür, um seine Beine wirbelt Schnee herein, und da steht Madeleines Mutter, die Hand an der Tür, der Geruch nach frischem Schnee, die eisige Luft, der durch die Baumkronen tosende Wind. Es ist das Ende von Madeleines Kindheit. Sie hält sich an einem Stab des Treppengeländers fest, jetzt beginnt die Zeit, wo sie den Glauben verlieren, ewig hungrig bleiben, von Wut und Sex und dem Verlangen getrieben sein wird, jeden einzelnen Moment greifbar zu machen; natürlich denkt sie nicht ans Filmemachen, vom Filmemachen hat sie noch nie etwas gehört, sie ist nicht einmal ein Teenager und lebt in St. John’s – das Licht fließt durch jeden einzelnen Regentropfen am Treppenhausfenster –, und doch entscheidet sie sich, Filmemacherin zu werden.
Es wird entschieden, wer auch immer diese Entscheidung trifft.
Madeleine beobachtet, wie der Mann mit ihrer Mutter spricht, seine Hutkrempe, sieht die Schultern ihrer Mutter heruntersacken. Sie schlägt die Arme um ihren Oberkörper, und ihre Schultern zucken, es schüttelt sie. Ihr Vater ist schließlich gestorben.
Seither macht Madeleine Filme. Sie hat Industriefilme für Dokumentarsendungen mit radikaler politischer Tendenz gedreht. Sie hat Fernseh-Kochshows und Wahlkampf-Werbespots gedreht. Sie hat in Indien, Afrika und Australien gedreht. Sie hat Filme über die Yanomami und die Inuit und die Bewohner der Andamanen und über die unbekannteren Mitglieder der königlichen Familie gedreht.
Der Film, an dem sie jetzt arbeitet, wird besser sein als jeder andere Film, der je auf dieser Welt gedreht wurde. Besser als Bergman. Dieser Film wird alles enthalten. Er wird alles enthalten. Er wird
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