Im Rausch der Freiheit
Bruder werde einmal einen Bauernhof erben. Teresas Vater nickte dazu und äußerte seine Hoffnung, Salvatore und sein Bruder würden bald ebenfalls die Möglichkeit haben, die Stadt zu verlassen.
»Mein Vater findet das Leben in der Großstadt ungesund«, erklärte Teresa lachend.
Der Vater behelligte ihn nicht weiter, und die Mahlzeit setzte sich in heiterer Atmosphäre fort. Teresa war ziemlich aufgekratzt und erzählte ihm lustige Anekdoten über ihre Angehörigen. Als Salvatore sich umschaute, gewann er den Eindruck, dass es bei der Familie Caruso, wäre sie nur wohlhabender gewesen, ähnlich hätte zugehen können. Beim Nachtisch unterhielt sich Teresa gerade mit Angelo, als ihr Schwager Salvatore ruhig ansprach. Er fragte ihn nach seinem Beruf, und als er erfuhr, dass er Maurer sei, schüttelte er den Kopf.
»Körperliche Arbeit ist nicht schlecht, solange man jung ist, aber man muss an die Zukunft denken. Können Sie etwas beiseitelegen?« Als Salvatore nickte, fuhr er mit ernster Stimme fort. »Das ist gut. Man braucht Geld, um sich selbstständig zu machen. Was schwebt Ihnen denn so vor?« Salvatore hatte sich nie Gedanken darüber gemacht. Für ihn waren seine Ersparnisse eine Reserve für Anschaffungen wie Kleider oder für Krankheitszeiten oder für alles, was sonst noch nötig werden könnte, besonders wenn man heiratete. Als er sein ratloses Gesicht sah, fuhr der Mann fort: »Der Alte« – er deutete auf Teresas Vater – »wird für seine Tochter unbedingt einen Mann mit eigenem Geschäft wollen. Oder zumindest mit einem gewissen Vermögen.« Er nahm sich ein Stück Kuchen. »Ist ihm sehr wichtig.«
Salvatore schwieg. Nach dem Essen vertraten sich die jungen Männer die Beine, während die Frauen abräumten. Da Teresa Gäste hatte, durfte sie zusammen mit den Jungs spazieren gehen. Sie schlenderten zur Mole, wo die Fischer Austern und Venusmuscheln abluden. Teresa sagte ihm, dass sie gern in die Stadt kommen und ins Kino gehen würde. »Mein Vater mag die Stadt nicht, aber ich schon«, sagte sie. Also vereinbarten sie, sich in zwei Wochen wiederzusehen.
Als es Zeit war zu gehen, dankte er Teresas Eltern für ihre Gastlichkeit, und auch wenn sie höflich antworteten, äußerten sie nicht die Hoffnung, ihn wiederzusehen. Und es hätte ein etwas peinlicher Abschied für ihn werden können, wäre nicht plötzlich Angelo mit einem Blatt Papier erschienen.
»Ein Geschenk von mir und meinem Bruder«, sagte er lächelnd und überreichte das Blatt Teresas Mutter, die es mit einem leichten Stirnrunzeln entgegennahm. Doch als sie sah, um was es sich handelte, strahlte sie und zeigte es ihrem Mann. Es war eine Zeichnung, die ihr Haus darstellte, täuschend ähnlich und von Angelo geschickterweise um ein paar am Himmel kreisende Seevögel ergänzt. Danach schieden sie erheblich herzlicher voneinander.
Salvatore war nachdenklich, als sie in die Stadt zurückkehrten. Er zweifelte nicht daran, dass Teresas Schwager die Wahrheit gesagt hatte. Bestand überhaupt nur die geringste Hoffnung, dass Teresas Eltern ihn als Schwiegersohn akzeptieren würden? Und einmal abgesehen davon: würde sie mit einem armen Schlucker wie ihm glücklich werden? Er wusste es nicht. Und er wusste auch nicht, wie er seine Situation hätte ändern können.
*
Charlie Master hielt sich oft in Harlem auf. Er hörte gern Jazz. Manchmal traf er sich mit Edmund Keller im Cotton Club oben an der 142nd Street. Dieser Club ließ grundsätzlich nur Weiße ein – allerdings konnte man da gelegentlich auch ein paar schwarze Musiker und deren Freunde sehen.
Aber schließlich war ganz Harlem, was die Vermischung der Rassen anging, noch immer Grenzland.
Bis zu den brutalen Ausschreitungen, die während der Unruhen von 1863 verübt worden waren, hatten die meisten Südstaatenschwarzen der Stadt in Downtown gelebt. Dann fand eine Abwanderung in die mittlere West Side statt, in den Tenderloin-Distrikt. Bald waren ihre Cabarets und Theater so erfolgreich, dass das Viertel als Black Bohemia bekannt wurde, als schwarze Boheme. Gegen Ende des Jahrhunderts hatten die Einwanderer aus Virginia und den beiden Carolinas, die vor der rassendiskriminierenden Gesetzgebung des Südens flohen, den schwarzen Bevölkerungsanteil beträchtlich ansteigen lassen, und wieder machten sich zunehmende Spannungen zwischen diesem und der irischen Gemeinde bemerkbar. Erst während Charlies Kindheit hatte der große Zustrom von Afro-Amerikanern in die bis dahin
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