Im Rausch der Freiheit
Gebäude betrete?«
»Ein Apartmenthaus an der Park. Eines der besten.«
»Wann hätte das je eine junge Frau vor Ungemach bewahrt?«
»Noch nie, soweit ich weiß.«
»Nur ein Glas. Kerzen haben Sie doch, oder? Ich sitze nicht gern im Dunkeln.«
»Sie haben mein Wort.«
»Welcher Stock? Der Aufzug wird ja ohne Strom kaum funktionieren.«
»Zweiter.«
Zwanzig Minuten später fing sie an zu lachen. »Sie sagten, Sie würden im zweiten Stock wohnen!«
»Ich meinte den vierten. Wir haben’s gleich geschafft. Schauen Sie.« Er leuchtete mit der Taschenlampe, die der Portier ihm zur Verfügung gestellt hatte. »Direkt da vorn ist die Eingangstür.«
Er führte sie ins Wohnzimmer und kehrte einige Augenblicke später mit zwei Kerzen in schönen silbernen Leuchtern zurück. Nachdem er sie auf einen Tisch gestellt und angezündet hatte, ging er zum Wandschrank neben der Tür zum Esszimmer und holte sämtliche silbernen Kerzenständer heraus, die Charlie einst von seiner Mutter geerbt hatte. Bald waren Flur, Küche, Wohn- und Esszimmer von warmem Kerzenlicht erfüllt. Maggie schaute ihm vom Sofa aus zu.
»Hübsche Wohnung«, sagte sie.
»Danke. Habe ich geerbt. Was möchten Sie trinken?«
»Rotwein.« Im Kerzenlicht nahm Maggies rotes Haar einen magischen Schimmer an. Ihr Gesicht sah weicher aus als zuvor im Restaurant. Sie schien sich ein wenig zu entspannen. »Vielleicht könnten Sie dazu ein kleines Soufflé zaubern.«
»Als Koch bin ich eine Katastrophe.«
Sie stand auf und sah sich ein bisschen um, während er den Wein holte. Dann setzte sie sich wieder hin und hielt ihr Glas nachdenklich in der Hand.
»Das also«, sagte sie lächelnd, »ist Ihre Strategie, ja? Sie laden das Mädchen auf einen Drink zu sich ein, damit sie die schöne Wohnung bewundern kann. Dann gehen Sie mit ihr zum Dinner aus mit der Begründung, Sie hätten in der Küche zwei linke Hände. Spätestens in diesem Moment gelangt sie zu der Überzeugung, dass Sie und Ihre Wohnung ihrer liebevollen Fürsorge bedürfen.«
»Völlig daneben. Wenn das zuträfe, wäre ich schon längst verheiratet.«
»Fadenscheiniges Argument.«
Sie unterhielten sich zwanglos. Er erzählte ihr, dass er schon immer, seit seiner Kindheit, entschlossen gewesen sei, in der City zu wohnen, und fragte sie, warum es sie hierhergezogen habe.
»Genau genommen lag’s an meinem Bruder. Er wohnt unten im Village, und an einem Sonntag hat er mich eingeladen, und wir machten einen Spaziergang durch SoHo. Das war im Frühjahr 1973, als gerade die Türme des World Trade Center fertiggestellt worden waren. Es war bedeckt, aber die Sonne versuchte durch die Wolken zu dringen. Und da war dieser gewaltige graue Turm, der südlich von SoHo in den Himmel ragte, irgendwie unscharf und körnig, doch als das Licht der Sonne ihn erfasste, da schien sich seine Substanz zu verwandeln.
Das war einer der magischsten Momente in meinem ganzen Leben. Und da beschloss ich, nach New York zu ziehen.«
»Ich dachte, Sie mögen diese Architektur nicht. Den internationalen Stil.«
»Normalerweise nicht, das stimmt. Aber mit den Türmen ist es irgendwie anders. Es liegt vermutlich an der Oberfläche, am Spiel des Lichts.«
»Ist Ihr Bruder verheiratet?«
»Nein. Im Gegenteil, er ist schwul.« Kurze Pause. »Meine Eltern wissen nichts davon.«
»Das ist bestimmt problematisch. Wie lange wissen Sie es schon?«
»Seit acht Jahren. Martin und ich stehen uns sehr nah, und er hat es mir gesagt. Das war 1969, im Jahr der Stonewall-Unruhen – Sie wissen schon, wegen der Razzia in dem Schwulenlokal. Damals ging ich noch zur Schule.«
»Ist es nicht langsam Zeit, dass er Ihre Eltern aufklärt?«
»Schon, aber es wird nicht einfach. Für Dad dürfte es ein gewaltiger Schock werden, weil Martin der einzige Sohn ist und Dad fest darauf baut, dass er den Familiennamen weiterträgt. Früher oder später muss Martin es ihnen natürlich sagen, doch besser in einem Moment, in dem ich dabei bin. Alle werden mich brauchen. Besonders Martin.« Sie lächelte. »Ich bin immer für meinen Bruder da.«
Gorham nickte. Diese attraktive Anwältin war nachdenklicher und liebevoller, als er vermutet hatte.
»Die Familie ist eine wichtige Sache«, sagte er. »Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass meine Familie wieder zu dem wird, was sie einmal war, wenngleich ich zugeben muss, dass ich diese Verantwortung frei gewählt habe. Meinem Vater lag nichts daran. Geht es Ihnen ähnlich?«
»Ich verspüre keine
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