Im Rausch der Freiheit
durch die novemberlich trüben Straßen. Wenn sie dort ankam, sollte er sie bereits mit der Tasche erwarten.
Ihr erstes Kind. Sie hatten damit lange gewartet, und sie waren sich in diesem Punkt einig gewesen. Maggie wollte sich erst beruflich etablieren, und fand seine volle Unterstützung. Und jetzt war endlich der große Tag da, und er geriet in Panik.
War Maggie dafür bereit? Würde alles gut gehen?
Letzte Woche hatte er gemeint, sie sollte jetzt aufhören zu arbeiten. Aber sie versicherte ihm, es bestehe kein Grund zur Sorge.
»Und ganz ehrlich, Süßer«, sagte sie, »es ist mir lieber, ich habe etwas zu tun, was mich ablenkt.« Natürlich konnte er das nachvollziehen. Nur: übernahm sie sich nicht vielleicht? Jetzt, da der große Augenblick gekommen war, packte ihn die Angst. Hätte er sie anflehen sollen, heute nicht ins Büro zu gehen? Sollte jetzt, Gott bewahre, etwas schiefgehen, würde er sich das niemals verzeihen.
Sie hatte die Wohnung um acht Uhr früh verlassen. Um elf, mitten in einer Besprechung in einem der großen holzgetäfelten Konferenzräume auf einer der zehn Etagen der Kanzlei von Branch & Cabell in Midtown, setzten plötzlich die Wehen ein. Sie war völlig ruhig geblieben; er konnte sie sich bildlich vorstellen. Sie entschuldigte sich, rief ihn an und bat ihn, mit der gepackten Tasche zu kommen, und fuhr mit dem Aufzug hinunter, um ein Taxi zu nehmen. Das Krankenhaus befand sich in Uptown, doch zu dieser Uhrzeit würde die Fahrt bestimmt nicht lang dauern. Er musste sich beeilen.
»Bella!«, rief er.
»Ja, Mr Master.« Bella stand schon hinter ihm. Sie wusste immer, wo alles war.
»Habe ich irgendwas vergessen?«
Bella war eine Perle, ein Gottesgeschenk. Sie stammte aus Guatemala, und wie viele Hausangestellte in New York begann sie ihre Laufbahn als illegale Einwanderin, aber ihre vorigen Arbeitgeber hatten es geschafft, ihr eine Greencard zu besorgen. Inzwischen arbeitete sie seit drei Jahren bei ihm und Maggie als Hausmädchen. Als sie Bella einstellten, war sich Gorham unschlüssig gewesen, welche Formen der Anrede zeitgemäß sein mochten, doch Bella löste das Problem für sie. Sie hatte früher in einer großen Wohnung an der Fifth Avenue gearbeitet, und sie spürte sofort, dass auch die Leute von der Park Avenue Förmlichkeit in allen Dingen erwarteten. Also sprach Bella sie mit »Mr und Mrs Master« an, und sie erhoben keine Einwände.
Bei der Anstellung Bellas hatten sie bereits einen Hintergedanken gehabt. Sie planten, in nicht allzu langer Zeit Kinder zu bekommen. Wenn es so weit sein würde, wollte Maggie jemanden haben, dem sie wirklich vertrauen konnte, der Teil der Familie war, den sie bereits kannten. Die Idee war also, dass Bella, war erst einmal ein Baby da, auch als Kindermädchen fungieren sollte. In letzter Zeit begann sie allerdings, darauf hinzuweisen, wie viel Arbeit ihr der Haushalt mache, und Gorham sah eines klar voraus: Spätestens in einem Jahr erwartete Bella vermutlich, dass sie zusätzlich zu ihr ein Kindermädchen einstellten. Und das hatten sie nicht vor, was möglicherweise einige Kämpfe kosten würde.
»Nein, Mr Master.« Verriet ihr Tonfall die Ansicht, dass er ständig alles verlegte? »Es wird schon alles gut gehen.«
Er befahl sich, nicht albern zu sein. Bella hatte natürlich recht. Maggie war in einem guten Zustand, was auch die Ultraschallbilder bewiesen. Das Baby war gesund. Und es war ein Junge. Gorham Vandyck Master jr. Die Namen hatte Maggie vorgeschlagen, weil sie wusste, dass er sich darüber freuen würde. Sie teilte sein dynastisches Bewusstsein nicht unbedingt, aber sie hatte keinerlei Probleme damit, sich ihm anzupassen. Nun, es machte ihm Freude. Und wenn das für Maggie okay war, warum hätte er ihr dann widersprechen sollen?
Mit dem Baby war alles in bester Ordnung, und mit dem Arzt ebenso. Caruso war ein guter Arzt. Nicht jeder hatte heutzutage den Mut, sich auf Geburtshilfe zu spezialisieren. Ging irgendwas schief, verklagten alle sofort den Geburtshelfer. Die Haftpflichtversicherungsprämien für Geburtshelfer waren so hoch, dass viele Medizinstudenten glaubten, es sich einfach nicht leisten zu können, sich auf diesem Gebiet zu spezialisieren. Caruso war nur ein paar Jahre älter als er, aber Maggie stellte Recherchen über ihn an und war beeindruckt.
Dr. Caruso erwies sich außerdem als sympathischer Mensch. Gorham hatte ihn ein halbes Jahr zuvor zufällig getroffen, als der Arzt sich gerade auf dem Heimweg
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