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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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befand. Seine Praxis lag nur ein paar Blocks von ihnen entfernt an der Park Avenue, also waren sie ein Stück zusammen gegangen und konnten sich ausgiebig unterhalten. »Ich wohne drüben auf der West Side«, sagte er zu Gorham, »auf der West End Avenue. Solange das Wetter es zulässt, laufe ich jeden Tag in die Praxis und zurück durch den Park.« Er lächelte. »Auch Ärzte müssen sich schließlich Bewegung verschaffen!«
    »Sind Sie in der West Side aufgewachsen?«
    »Nein, in Brooklyn. Mein Vater hatte ein Haus am Park Slope. Aber zur Schule bin ich hier in Manhattan gegangen.« Er nannte den Namen einer Privatschule, die Gorham sehr gut kannte.
    »Hervorragende Schule. Hat es Ihnen dort gefallen?«
    »Um ehrlich zu sein, nicht besonders. Die anderen Jungen haben mich sehr herablassend behandelt.«
    »Weil Sie in Brooklyn wohnten?« Es stimmte schon, dass die wunderschönen Brownstones vom Park Slope in den Fünfzigerjahren ziemlich heruntergekommen und die meisten »besseren Leute« dort ausgezogen waren. In den Sechzigern setzte dann so etwas wie eine Renaissance ein. Alle möglichen Leute zogen in das Viertel, darunter viele, die die Häuser um ihrer selbst willen wieder instand setzen wollten. Die Privatschulkinder wohnten wahrscheinlich nicht dort, aber trotzdem … »Ich bin auf Staten Island aufgewachsen.«
    »Schöne Gegend. Brooklyn war übrigens nicht das Problem.«
    »Sie hatten ein Stipendium? Sie haben Sie schlecht behandelt, weil Sie nicht reich waren? Das ist widerwärtig!«
    »Nein – im Gegenteil, das Geld war bei uns alles andere als knapp. Mein Vater hat als Maurer angefangen, und die Familie meiner Mutter hatte ein Feinkostgeschäft. Aber dann erbte mein Vater etwas von seinem Onkel und ist, nachdem er einmal von einem Haus stürzte und nur mit ungeheurem Glück überlebte, Bauunternehmer geworden. Nur kleine Sachen – er kaufte in Brooklyn alte Häuser, renovierte sie und verkaufte sie wieder –, doch er machte recht gute Gewinne.« Dr. Caruso schwieg kurz. »Nein, das Problem war längst nicht so kompliziert. Ich war Italiener. Ganz einfach. Italienischer Name. Ich war für die Mitschüler nur Dreck.« Er zuckte die Achseln. »Jetzt entbinde ich ihre Kinder.«
    »Ich hoffe, Sie stellen denen gesalzene Rechnungen«, sagte Gorham trocken.
    »Ich habe mein Auskommen. Übrigens hat mein Sohn gerade in der Privatschule angefangen, und es gibt nicht die geringsten Probleme.«
    »Ethnisch« galt heutzutage als schick, und Gorham war froh darüber. Er hatte von jüdischen Familien gehört, die eine Generation zuvor ihre osteuropäischen Namen anglisierten und neuerdings beschlossen, den ursprünglichen Namen wieder anzunehmen. Die allgemeine Einstellung änderte sich. Auf seinen eigenen, aristokratischen Namen war er nur deswegen stolz, weil er ehrlich ererbt war und historische Wurzeln hatte. Zumindest redete er sich das gern ein. »Mein Begriff von Abstammung ist streng postmodern«, pflegte er auf Dinnerpartys zu sagen. »Sie ist lediglich eine harmlose Verzierung, an der man seine Freunde teilhaben lassen kann.« Er fand den Spruch ziemlich gelungen.
    Er hatte Dr. Caruso auch gefragt, ob er zufällig irgendwie mit dem berühmten Tenor verwandt sei. Das intelligente Gesicht des Mediziners wies durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des großen Sängers auf.
    »Wer weiß?«, sagte Dr. Caruso. »Vielleicht um soundso viele Ecken. Meine Vorfahren kannten ihn persönlich – sie waren darauf sehr stolz –, und er sagte ihnen immer, wir seien miteinander verwandt.« Er lächelte. »Caruso war nämlich ein Mann von großer Herzensgüte, müssen Sie wissen.«
    Gorham Master war froh, dass Dr. Caruso seinen Sohn entbinden würde.
    *
    Er schnappte sich Maggies Reisetasche, schärfte Bella ein, ja in der Wohnung zu bleiben für den Fall, dass er sie wegen irgendetwas anrufen müsste, und fuhr mit dem Aufzug hinunter ins Foyer. Der Portier winkte ein Taxi heran.
    Es war keine lange Fahrt. Rüber zur Madison, dann geradeaus rauf zur 101st, noch mal abbiegen zur Fifth Avenue und man war am Mount Sinai Hospital. Dr. Caruso würde sie dort erwarten.
    Der Taxifahrer fuhr drei Blocks weit die Park hinauf, bevor er nach links abbog. Nur noch ein Block zur Madison. Doch dann hielt er.
    »Gibt’s ein Problem?«
    »Ja. Problämm.« Der Fahrer sprach mit starkem russischem Akzent. »Lastärr. Err nicht bewäggt.«
    »Ich muss schnellstens ins Krankenhaus!« Maggie war wahrscheinlich schon dort.
    »Was

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