Im Rausch der Freiheit
britischer Richter die Sklaverei in England verboten hat.«
Dirk Master sah seinen Cousin nachdenklich an. Er war recht neugierig gewesen, ihn kennenzulernen. Er selbst war der einzige männliche Vertreter der Familie Master in New York. Von der Seite der van Dycks gab es nur Cousinen, und die hatten geheiratet und die Stadt verlassen. So verblieben ihm nur wenige nahe Verwandte. Dieser Bostoner Anwalt war ohne Frage ein Mensch ganz anderer Art, aber er missfiel ihm nicht. Das war immerhin ein Anfang. Und seine Tochter machte durchaus einen angenehmen Eindruck. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und legte sich seine Worte zurecht.
»Vor vierzig Jahren«, sagte er, »handelte mein niederländischer Großvater mit Fellen. Der Fellhandel besteht weiter, hat aber inzwischen keine große Bedeutung mehr. Mein anderer Großvater, Tom Master, war im Westindienhandel tätig. Und dieser Handel ist so gewaltig expandiert, dass die Wirtschaft dieser Stadt zu drei Vierteln auf der Belieferung der Zuckerrohrplantagen beruht. Und Zuckerrohrplantagen brauchen Sklaven.« Er schwieg kurz. »Was die moralische Seite des Sklavenhandels anbelangt, Herr Cousin, respektiere ich Ihre Einstellung. Mein niederländischer Großvater beabsichtigte, die beiden einzigen Sklaven, die er besaß, freizulassen.«
Eliot nickte unverbindlich.
Im Auge des Kaufmanns erschien ein spitzbübisches Funkeln.
»Gleichzeitig aber, Herr Cousin«, fuhr er fort, »müssen Sie einräumen, dass wir Briten uns in dieser Frage einer gewaltigen Heuchelei schuldig machen. Denn wir erklären, Sklaven zu halten sei eine Ungeheuerlichkeit – dies aber nur, sofern das auf der britischen Insel geschieht. Überall sonst im britischen Empire ist es gestattet. Der für die englische Wirtschaft so wichtige Zuckerhandel wäre ohne Sklaven undenkbar; und britische Schiffe transportieren jedes Jahr Tausende davon.«
»Das lässt sich nicht bestreiten«, räumte Eliot höflich ein.
»Bereitet es Ihnen keine Sorge, Sir«, meldete sich Kate jetzt zu Wort, »dass New York so stark von einem einzigen Wirtschaftszweig abhängig ist?«
Die blauen Augen des Kaufmanns richteten sich anerkennend auf sie.
»Keine allzu große«, antwortete er. »Sie haben zweifellos schon von der Zucker-Interessengemeinschaft gehört. Die großen Zuckerrohrpflanzer haben ein Konsortium gegründet, um das Londoner Parlament zu beeinflussen. Sie verfügen über ein riesiges Vermögen, also ist ihnen das auch möglich. Sie und ihre Freunde sitzen in der Legislative; andere Parlamentsabgeordnete werden entweder überzeugt oder gekauft. Das System reicht hinauf bis in die höchsten Ebenen. Dieses Antichambrieren, wie man es nennen könnte, ist uneingeschränkt erfolgreich gewesen. In den letzten paar Jahren, in denen der Zuckerhandel darniederlag, hat das Parlament zwei Maßnahmen zu dessen Stützung beschlossen. Die wichtigste war die Rum-Ration. Jeder Mann, der auf einem Schiff der britischen Marine dient, erhält jetzt täglich ein halbes Pint Rum. Ich weiß nicht, wie viel das die Regierung kostet, aber auf die ganze Marine und das ganze Jahr gerechnet, ergibt das eine ganz gewaltige Menge Rum – und damit Melasse von den Plantagen.« Er lächelte. »Und nicht nur ist die Rum-Ration die Rettung unserer Wirtschaft, sondern diese Rettung ist auch für die Ewigkeit. Denn hat man einem Seemann erst sein Quantum Rum als sein gottgegebenes Recht zugesagt, kommt er nie wieder davon los. Streichen Sie die Rum-Ration, und Sie haben eine Meuterei am Hals. Und da die britische Flotte immer größer wird, steigt auch der Gesamt-Rumverbrauch und damit auch der Gewinn der Zuckerrohrpflanzer. Sie sehen also, Miss Kate, New York steht auf dem sicheren Fundament der englischen Zucker-Interessengemeinschaft.«
Kate warf ihrem Vater einen fragenden Blick zu. Sie wusste, dass er diesen leichtfertigen Gebrauch religiöser Begriffe wie gottgegeben und Ewigkeit unmöglich billigen konnte, doch sie selbst fand insgeheim eher Gefallen an der Unverblümtheit des Kaufmanns.
»Sie hatten von zwei Maßnahmen gesprochen, Sir«, sagte sie.
»Ja. Die zweite war das Melasse-Gesetz. Es besagt, dass wir nur von englischen Händlern und englischen Schiffen Melasse kaufen dürfen. Das hält den Preis für Melasse hoch und schützt die englischen Pflanzer. Mir gefällt das nicht besonders, weil ich ebenfalls, hier in New York, Rum erzeuge. Ich könnte weit günstiger produzieren, wenn ich die Melasse von den französischen
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