Im Rausch der Freiheit
gleichermaßen beeindruckt. Über einem Sockelgeschoss erhoben sich zwei fünf Joch breite Stockwerke von klassischer Schlichtheit. Ein Haus für einen Gentleman. Als sie eintraten, bemerkten sie in der Diele einen großen eichenen Schrank offensichtlich niederländischer Herkunft und zwei hochlehnige Stühle aus der Zeit Karls II. Im Empfangszimmer sahen sie Ehrfurcht gebietende Porträts von Dirks Eltern, einige Regale, in denen ein schwarz-goldenes chinesisches Teeservice stand, und mehrere elegante Nussholzstühle mit Gobelinbezug im Queen-Anne-Stil.
Alles deutete darauf hin, dass das Vermögen der New Yorker Masters auf einem guten, soliden Fundament ruhte.
Dirk begrüßte sie herzlich. Seine Gattin war eine große, elegante Dame, deren weiche Stimme ihnen freundlich zu verstehen gab, dass sie sich ihres gesellschaftlichen Standes wohl bewusst sei. Und dann war da noch ihr Sohn John.
Der Vater hatte Kate nichts von dem Jungen erzählt. Auch wenn sie es nicht wollte, ertappte sie sich immer wieder dabei, wie sie ihm verstohlene Blicke zuwarf. Er trug ein blütenweißes Hemd aus feinstem Leinen und eine grün-goldene Seidenweste. Eine Perücke brauchte er nicht – warum auch bei seiner prachtvollen Mähne von welligem Goldhaar? Er war der schönste junge Mann, den sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte. Als sie einander vorgestellt wurden, sprach er ein paar höfliche Worte, die sie allerdings kaum mitbekam. Dann aber begnügte er sich damit, seinem Vater zuzuhören, sodass sie nicht herausfand, was er dachte.
Vor dem Essen beschränkte sich die Konversation auf Fragen nach den Familienverhältnissen. Sie erfuhr, dass John zwei Schwestern hatte, beide schon aus dem Haus, aber keine Brüder. Er war also der Erbe.
Das Mahl war vorzüglich. Das Essen reichlich, der Wein gut. Kate war der Platz neben dem Kaufmann zugewiesen worden, zwischen ihm und John. Das Tischgespräch schien angeregt und herzlich, aber sie merkte, dass alle auf der Hut waren und ängstlich darauf bedacht, die jeweils andere Seite nicht zu beleidigen. Mrs Master bemerkte, sie kenne den Anwalt, bei dem sie wohnten. Und ihr Mann äußerte die Hoffnung, sein Cousin werde unter den Angehörigen der New Yorker Anwaltschaft ein paar gute juristische Köpfe finden.
»Es gibt in New York auch außerhalb der juristischen Profession hervorragende Köpfe«, entgegnete Eliot höflich. »Der Ruf von Gouverneur Hunters Zirkel lebt in Boston, wie ich Ihnen versichern kann, unvermindert fort.«
Gouverneur Hunter, der Fünfte in der Nachfolge des exzentrischen Lord Cornbury, hatte einen bemerkenswerten Kreis von Freunden – größtenteils Schotten gleich ihm – zu einer Art »Intellektuellenclub« versammelt. Knapp zwei Jahrzehnte später sprachen kultivierte Männer in anderen Städten noch immer voller Hochachtung von diesem Zirkel. Kate hatte ihren Vater häufig auf ihn anspielen hören. Sie warf dem Jungen zu ihrer Rechten einen Blick zu. Er schaute verständnislos drein. Hinter ihm machte seine Mutter ein unverbindliches Gesicht.
»Ah, Hunter«, sagte ihr Gastgeber in entschiedenem Ton. »Ich wünschte, wir hätten immer ein solches Glück mit unseren Gouverneuren!«
In der Hoffnung, den jungen John in das Gespräch einbeziehen zu können, bemerkte Kate, an ihn gewandt, ihr seien in New York mehr Neger als in Boston aufgefallen. Ja, antwortete er leise, ungefähr jeder Fünfte in der Stadt sei ein Sklave.
»Mein Vater missbilligt die Sklaverei«, sagte sie munter und erhielt dafür einen warnenden Blick von Eliot. Doch ihr Gastgeber schaltete sich auf seine weitläufige Art ein.
»Sie haben möglicherweise bemerkt, Miss Kate, dass die Dienstboten in diesem Haus keine Negersklaven, sondern irische Lohndiener sind, die ihren Kontrakt abarbeiten – größtenteils, um ihre Überfahrt zu bezahlen. Es trifft allerdings zu, dass ich im Sklavenhandel tätig bin. Das Gleiche gilt für einige der besten Bostoner Familien, wie die Waldos und die Faneuils. Ein Bostoner Kaufmann, mit dem ich bekannt bin, sagte einmal, seine drei Hauptartikel seien irische Butter, italienischer Wein und Sklaven.«
»Meine Tochter wollte nicht unhöflich sein, Herr Cousin«, sagte Eliot rasch, »und mit meiner Ansicht stehe ich in Boston fast allein da.« Es war offenbar sein fester Wille, das Essen nicht durch einen Missklang zu stören. »Wenngleich ich gestehen muss«, fügte er hinzu, »dass ich als Engländer die Tatsache nicht ignorieren kann, dass ein höherer
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