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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Ritterverbände zusammenzuziehen. Dann hatte der englische König seinen besten Ritter – William Marshal – mit der Aufgabe betraut, diese neuen Truppen sicher über den Kanal zu führen. Mit einem letzten Blick auf den in seinem betont schlichten Bischofsgewand beinahe wie ein Heiliger wirkenden Hubert Walter rümpfte William Marshal die Nase und gab seinem Tier die Sporen. Er konnte den Angeber nicht ausstehen! Schon als junger, aufsteigender Kirchenmann war ihm der Kerl unsympathisch gewesen. Schon damals hatte William Marshal das sichere Gefühl gehabt, dass dieser ehrgeizige Bischofsanwärter ein gefährliches Machtpotential in sich barg. Mit den beinahe weißblonden Haaren und den wasserblauen Augen gab er sich gerne den Anschein eines über weltlichen Bedürfnissen stehenden Weisen. Doch keinen Augenblick ließ sich der Earl of Pembroke von dieser kunstvoll gepflegten Maske täuschen. Zu genau wusste er, dass auch der oberste Justitiar den sinnlichen Genüssen nicht abgeneigt war – hatte er ihn doch vor einigen Jahren aus einem der verrufensten Freudenhäuser der Insel wanken sehen! Irgendetwas an den selbstzufriedenen Mienen der Pfaffen, die wie die Aasfresser um den Erzbischof von Canterbury kreisten, bereitete ihm Sorge. Aber da die Gefahr eines Aufstandes in England gebannt war, wischte er den Gedanken mit einer ungeduldigen Geste beiseite und konzentrierte sich auf den tückisch abfallenden Weg. Was immer der Klerus ausheckte, es konnte nicht so wichtig sein, wie der Krieg gegen Philipp von Frankreich!

Grafschaft Chester in England, April 1196
     
    Ihr Sohn war in Sicherheit! Arthur war wohlauf! Vor Erleichterung zitternd ließ die Herzogin Konstanze die Nachricht sinken, die einer der Männer ihres verhassten Gemahls ihr heimlich hatte zukommen lassen. Offenbar hatten die bretonischen Beschützer, in deren Obhut Konstanze ihren Sohn zurückgelassen hatte, Arthur bei Nacht und Nebel an den Hof des französischen Königs geschafft, sobald klar war, dass Richard Löwenherz in die Bretagne einfallen würde. Und Philipp von Frankreich hatte diese Gelegenheit, seinen Erzfeind zu demütigen, beim Schopf gepackt und dem Knaben offiziell Zuflucht gewährt! Konstanze seufzte und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Seit die Kunde von Richards Angriff auf die Bretagne ihr entlegenes Gefängnis erreicht hatte, war sie krank vor Sorge, da sie befürchtete, dass der englische König ihren Sohn für seine Zwecke missbrauchen wollte. Zwar schenkte sie auch Philipp von Frankreich nicht besonders viel Vertrauen. Aber da dieser offensichtlich erlaubt hatte, dass Arthur sie über seinen Aufenthaltsort in Kenntnis setzte, hoffte Konstanze, dass ihr Sohn am französischen Hof besser aufgehoben war als am englischen. Wie sehr sie die Plantagenets verabscheute! Sie trat an das kleine, vergitterte Fenster und starrte in den Hof der Festung ihres Gemahls hinab. Dann faltete sie die Hände und sandte ein Gebet zum Himmel. Ob sie Arthur jemals wiedersehen würde? Die Sehnsucht nach ihrem Sohn drohte, sie zu ersticken. Sie schlug ein Kreuz vor der Brust und seufzte leise. Der Anblick ihres Gatten, der mit grimmiger Miene auf die Stallungen zusteuerte, ließ sie erschauern und hastig in den Raum zurücktreten. Oder würde Ranulf vorher dafür sorgen, dass ihr ein Unglück widerfuhr? Als erzürnte Stimmen an ihr Ohr drangen, zog sie sich an den kleinen Altar in der Ecke der Kammer zurück und fiel davor auf die Knie, um Gott mit weiteren Gebeten um Schutz für sich und ihren Sohn zu bitten.

Burg Gravensteen in Flandern, April 1196
     
    Derweil sich William Marshal auf den Weg zur englischen Küste machte, um sich mit der Verstärkung nach Frankreich einzuschiffen, neigte der französische König beeindruckt das Haupt und ließ die Glieder seiner steifen Finger knacken. »Ein wahrhaft ehrfurchterregendes Bollwerk«, stellte er anerkennend fest, als er die Hände auf die Zinnen des Wohnturmes der Burg Gravensteen stemmte und den Blick über die in frühlingshafter Pracht erblühende Landschaft im Umland der Stadt Gent schweifen ließ. Die mit runden Wachtürmen verstärkte Ringmauer der mächtigen Herrschaftsburg des Grafen Balduin IX. von Flandern fiel schroff unter ihm ab. »Hier ficht Euch so schnell nichts und niemand an.« Die Bewunderung, die in seiner Stimme mitschwang, war aufrichtig. Auch wenn er dem jungen Grafen, der durch einen Lehenseid sowohl an Frankreich als auch an Deutschland gebunden war, am liebsten

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