Im Reich der Löwin
Situation duldet keinen Aufschub: Unterwirf dich deinem Bruder, sobald dieser in Frankreich gelandet ist! Ich bitte dich, flehe dich an und befehle es dir.
Bisher hat Gott seine schützende Hand über den Krieger mit dem Herzen eines Löwen gehalten, doch da er immer und immer aufs Neue den Teufel zum Zweikampf fordert, fürchte ich, dass er früher oder später seiner Tollkühnheit zum Opfer fallen könnte.
Sollte dieser furchtbare Tag das Herz deiner Mutter zerreißen, dann will ich, dass mein eigen Fleisch und Blut die Linie der Plantagenets weiterführt. Du bist dir bewusst, dass deine Neffen Arthur und Otto einen beinahe gleichwertigen Anspruch auf den Thron haben, wie du selbst… muss ich weiterreden?
Sobald Richard es befiehlt, werden wir Segel setzen. Mache dich bereit.
Deine Mutter
Aliénor von Aquitanien«
Schweigend ließ der junge Huntingdon die Hand sinken und starrte John Lackland fassungslos an. »Aber das bedeutet, dass alles umsonst war«, presste er schließlich nach einigen Augenblicken lastenden Schweigens hervor und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. Zerschlagen! Erneut zerschlagen und zerschmettert! All seine Träume von Ruhm und Grafenwürde. Denn sollte John sich seinem Bruder unterwerfen, dann bedeutete das, dass auch er bei Harold of Leicester – seinem verhassten Halbbruder – zu Kreuze würde kriechen müssen. Wenn er überhaupt Gelegenheit dazu bekam. Denn wie er den Ruf des englischen Königs kannte, würde dieser darauf bestehen, exemplarische Strafen zu verhängen. Und was läge da näher, als einen unbedeutenden Junker, einen kaum dem Knabenalter entwachsenen Hochverräter, den Wölfen zum Fraße vorzuwerfen? Mit einem leisen Stöhnen und einem Griff an den Bauch erhob er sich und eilte aus der Halle, um sich in dem von den Unwettern der vergangenen Tage aufgeweichten Hof zu übergeben.
England, Portsmouth, 11. Mai 1194
Richard of Devizes war nicht bei der Sache. Beinahe gleichgültig stieß er in den willig unter ihm nachgebenden Knaben, dessen glatte, schneeweiße Hinterbacken wie die beiden Hälften einer verbotenen Frucht lockten. In einem geschmeidigen Schwung wölbte sich der schlanke Rücken seines Gespielen bis hin zu dem langen Hals, in dessen Nacken sich das kurze Haar zu feuchten Kringeln kräuselte. Keuchend krallte der Bursche die langen Finger in die vor ihm liegenden, hastig abgestreiften Gewänder, während der Rhythmus immer wilder und ungestümer wurde. Als Richard of Devizes schließlich – fast widerwillig – den Höhepunkt erreichte, ließ er sich mit seinem vollen Gewicht auf den leise stöhnenden Pagen fallen, sodass dieser vornüber in das frische Bodenstroh taumelte. »Habe ich Euch enttäuscht?«, fragte der Junge verstört, nachdem er die dünne Cotte über seine Blöße hatte gleiten lassen. Seine bartlosen Wangen waren von einer feinen Röte überzogen, die sich langsam bis zu seinem Haaransatz ausbreitete. Und wenn der blondgelockte Chronist nicht vor Wut und Verdruss gekocht hätte, dann hätte ihn der Augenaufschlag des kindlichen Cupido um den Verstand gebracht. »Nein«, beruhigte er ihn, drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und scheuchte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung aus dem kleinen Zelt, dessen Leinwand in dem seit Tagen heftig wütenden Sturm schwer gegen die Pfosten schlug. Wie lange sie wohl noch hier ausharren mussten, bis sie endlich Segel setzen konnten?
Seufzend zog er den Gürtel um sein Surkot fest, trat an das leise glimmende Feuer und drückte Daumen und Zeigefinger an die schmerzende Nasenwurzel. Warum nur fühlte er sich so scheußlich, seit Richard Löwenherz ihm den Rücken gekehrt und zu seinem früheren Bettgefährten – dem Barden Blondel – zurückgefunden hatte? Warum nagte die Tatsache, dass der fünf Jahre Ältere die Liebeskünste des Königs genoss, so an seinem Selbstbewusstsein? Mit kaum vierundzwanzig Jahren stand er in der vollen Blüte seiner Manneskraft. Und auch wenn das Blondhaar über der hohen Stirn langsam, aber sicher immer weiter zurückwich, hatte er keine Probleme damit, Knaben zu finden, die nur zu gerne das Lager mit ihm teilten. Und doch war es anders als mit Löwenherz! Wohingegen er selbst inzwischen immer öfter den Teil des dominierenden Partners übernahm, war in Richards Gegenwart nie die Frage aufgekommen, wer die Machtposition innehatte und wer sich dem stärkeren Liebhaber unterwarf. Ärgerlich über die Reaktion, die sein Körper allein bei
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