Im Reich der Vogelmenschen
er, William Rainor Kenlon, Amerikaner, hier in der Welt des Jahres 24 999 Kommandant einer der mächtigsten Kriegsmaschinen seines eigenen Zeitalters, eines Atom-U-Bootes – bewaffnet mit 24-Zoll-Torpedos, Flugabwehrkanonen und einem Seeflugzeug –, eines Bootes, das unglaublich lange unter Wasser bleiben konnte und so stark gepanzert war, daß ihm auch die größte Tauchtiefe nichts anhaben konnte.
Wieder sprach die Frau, diesmal in der Sprache der Vogelmenschen und mit einer Stimme, die leicht verwirrt klang:
»Was ist los? Verstehen Sie nicht Amerikanisch? Oder sind Sie einer der barbarischen Nichtamerikaner jener Zeit?«
Wider Willen mußte Kenlon lachen. Er sagte auf englisch: »Verzeihen Sie, Madam. Ich war völlig verblüfft, daß Sie tatsächlich Amerikanisch sprachen und daß …«
Er brach ab, von seinen eigenen Worten überrascht. Einen Monat lang hatten er und die andern in einem fremden Universum gelebt, das ihnen durch die geistige Isolierung von den Wesen, die sie darin gefunden hatten, noch fremder geworden war. Zugegeben, er hatte die Sprache der Vogelmenschen gelernt, aber das Vermögen, eine gestammelte Unterhaltung zu führen, hatte die Kluft zwischen den beiden menschlichen Wesen nur betont.
Damit war es vorbei. Hier waren Landsleute, mit denen sie Gemeinsames haben mußten. Aus welchem Zeitalter sie stammten, spielte keine Rolle. Der Unterschied konnte nicht groß sein, sonst hätte die Sprache nicht diese Ähnlichkeit behalten.
Kenlons Mund öffnete sich, aber bevor er sprechen konnte, sagte die junge Frau:
»Mein Name ist Dorilee. Ich bin Leutnant der weiblichen Truppe, die der Sessa Clen auf ihrem Weg zur Hochzeit als Schutz beigegeben wurde. Darf ich an Bord kommen?«
Kenlon vernahm den letzten Satz nur undeutlich. Seine Gedanken waren auf die Bedeutung dessen, was er gehört hatte, konzentriert. Er sah sich also weiblichen Soldaten gegenüber, die eine Frau, offensichtlich eine Persönlichkeit von Rang, zu ihrer Hochzeit geleiteten. Bis hierher war er mit seinen Überlegungen gelangt, als ihm der Sinn der Frage ins Bewußtsein drang. Zugleich sah er, daß die Frau keine Unterstützung zu erwarten schien und sein Schweigen als Zustimmung gedeutet hatte. Mit einem geschmeidigen Satz schwang sie sich auf die Brücke. Ihre Augen waren braun, die Lippen voll, das Gesicht, auf dem ein Lächeln lag, war ein wenig zu lang, um schön zu sein. Sie sagte:
»Wir haben seit einer Woche von Ihnen gehört. Es wurde immer wieder betont, daß Ihr Boot als einziges den Erfordernissen der Vogelmenschen entspricht.«
Ihr Blick wanderte neugierig über das Deck, dann durch das Turmluk hinab. »Das ist also ein richtiges U-Boot. Das einzige Exemplar, das ich je sah, befand sich in einem Museum von Greater Clen City und …«
Kenlon unterbrach. »Was sagten Sie vorhin – Sie hätten seit einer Woche von uns gehört?«
Die Frau wandte ihm das Gesicht wieder zu. Sie schien die Bedeutung seiner Frage sofort zu begreifen.
»Sie haben einen Vogelmenschen an Bord, nicht wahr?«
»Ja.«
»Er hat den ganzen Monat hindurch mit seinen Vorgesetzten über Ilfowelle in Verbindung gestanden. Leider sind meine Kenntnisse ihrer Sprache erst seit einer Woche so, daß ich die Bedeutung des Gesagten erkennen konnte.« Sie fügte hinzu: »Wir entdeckten ein ähnliches Ilfogerät bei dem Vogelmenschen, der an Bord unseres Schiffes kam. Es war in das Kleid, das er trug, gewebt. Kann ich nun in Ihr Schiff hinabsteigen?«
Kenlon brauchte über die Antwort nicht lange nachzudenken. »Nein«, sagte er.
Seine schroffe Ablehnung schien die Frau nicht zu kränken.
»Vielleicht möchten Sie zuerst unser Schiff besuchen«, sagte sie.
Kenlons Erregung wuchs. Er starrte die Frau an, als sähe er sie durch einen Nebel.
»Jetzt?«
»Natürlich jetzt«, sagte sie. »Die Sessa Clen möchte mit Ihnen sprechen.«
Kenlon begriff, daß er der Einladung folgen mußte. Je eher er die Gesamtlage in dieser phantastischen Welt überblickte, um so besser würde es für ihre Zukunft sein.
Er wandte sich an Benjamin und sagte: »Leutnant, Sie übernehmen während meiner Abwesenheit das Kommando. Sie sind dafür verantwortlich, daß kein Fremder an Bord kommt.«
»Großer Gott, Sir, Sie wollen doch nicht allein gehen? Entschuldigen Sie, Kapitän.«
»Schon gut«, sagte Kenlon. Er trat näher an den andern heran und fügte hinzu: »Meinen Sie nicht auch, daß die Gefahr für zwei Personen ebensogroß wäre wie für
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