Im Reich der Vogelmenschen
jetzt, entschied er dann. Nicht in dieser Dunkelheit.
Fasziniert starrte er durch sein Nachtglas. Die Gestalten, die sich an Deck gezogen hatten, richteten sich auf, zuerst eine, dann vier weitere. Der Regen schien ihre Gestalten zu verzerren. Das Wasser, das über die Linsen des Glases rann, ließ auch die Bewegungen verschwommen erscheinen.
Kenlon wollte gerade das nächste Signal geben, als ihm zu Bewußtsein kam, daß nicht der Regen die Schuld an dem trug, was er sah.
Die Geschöpfe dort waren keine Menschen.
Bestenfalls ähnelten sie kleinen Krokodilen, die auf langen Beinen standen und sich mit einer Sicherheit und Geschmeidigkeit bewegten, wie sie irdische Krokodile nie aufgebracht hätten. Der ungeheure Schock dieser Entdeckung ließ seine Nerven vibrieren. Ein Gefühl höchster Spannung ergriff von ihm Besitz.
Die praktische Frage aber lautete: was nun?
Kenlon wußte, daß er sich durch das, was er sah, nicht von seiner ursprünglichen Absicht abbringen lassen durfte. Während der Instinkt ihm riet, der Szene unverzüglich den Rücken zu kehren, befahl militärische Logik, die Erkundung fortzusetzen.
Da er wußte, daß seine Begleiter ebenfalls durch ihre Nachtgläser beobachtet hatten, griff er nach den Händen der beiden Männer und fragte leise: »Haben Sie sie gesehen?«
Ein doppelter Händedruck bejahte seine Frage.
»Dann weiter. Vermessen wir das Schiff, wie es geplant war.«
Sie schwammen weiter und tauchten unter das Schiff.
Sein breitester Durchmesser betrug fünfzig Fuß, und es hatte eine Länge von 120 Fuß.
Ein Antriebsmechanimus war nicht zu sehen – keine Schrauben, keine Raketenrückstoßöffnungen. Die Hülle war durchgehend glatt und wies keine Öffnungen auf.
Kenlon erinnerte sich an das, was Arpo gesagt hatte – an die komplizierten Energiefelder, die dieses Schiff selbst für Arpo undurchdringlich machten. Er nahm an, daß der Antrieb im Rahmen eines solchen »Feldes« erfolgte. Es war nur eine Vermutung, aber irgend etwas mußte dem Schiff Bewegung verleihen.
Es war bedrückend, daß nichts darauf hinwies, was dieses Etwas sein mochte.
Zögernd gab Kenlon schließlich den Befehl zur Umkehr.
Sobald sie an Bord der »Seeschlange« waren, rief Kenlon Benjamin und Tedders in die Kapitänskajüte und beschrieb, was er und die andern Taucher gesehen hatten.
»Was halten Sie davon, Gentlemen?« fragte er zum Schluß.
Stille herrschte, dann sagte Benjamin: »Kapitän, haben Sie die Menschen auf den andern Schiffen gefragt, ob in ihrer Zeit Verbindung zu fremden Zivilisationen auf andern Sternsystemen hergestellt worden ist?«
Kenlon mußte bekennen, daß ihm dieser Gedanke nicht gekommen war. Er gab gleichfalls zu, daß er nicht begriff, worauf Leutnant Benjamin hinauswollte.
»Darauf, Sir, daß ein der Erde seinen Besuch abstattendes fremdes Raumschiff versehentlich durch einen Vogelmenschen hierher in die Zukunft gebracht wurde.«
»Hm«, sagte Kenlon.
Er saß da und ließ sich diese einfache und doch überzeugende Erklärung durch den Kopf gehen. Natürlich. Was sonst?
»Bei allen Heiligen«, sagte er. »Ich war ein Idiot. Bringen Sie Nemmo herauf!«
Nemmo kam.
»Wir waren nicht in der Lage, mit unserm geflügelten Kameraden, der jenes Schiff herbrachte, in Verbindung zu treten«, sagte Nemmo. »Wir haben das unangenehme Gefühl, daß es ihm, nachdem er die Zeitröhre befestigt hatte, nicht gelang, an Bord zu kommen, so daß er zurückgelassen wurde.«
Kenlon fragte weiter: »Aber es besteht kein Zweifel, daß dieses Schiff tatsächlich aus der Vergangenheit hierhergebracht wurde?«
»Nicht der geringste Zweifel. Nach seiner Ankunft waren die Röhren mehrere Stunden lang klar zu erkennen. Anscheinend waren diese Menschen imstande, sie zu entfernen, was auf außerordentliches Geschick hinweist. Sie müssen weit vorgeschrittene technische Kenntnisse besitzen. Arpo hätte es ebenfalls tun können, aber nach seiner ganzen Einstellung würde er weder Widerstand leisten, noch sich in solche Dinge einmischen.«
Kenlon betrachtete die Erklärung als befriedigend, und er sagte schließlich erfreut: »Nun, damit wäre das ganze Problem gelöst. Wir wissen nun, was wir als nächstes tun müssen.«
»Und was wäre das?« fragte Benjamin neugierig.
Kenlon grinste. »Wir gehen schlafen.«
Aber er war schon kurz nach der Morgendämmerung wieder auf den Beinen.
12
Die Schrauben des U-Bootes, das langsam unter einem immer noch trüben Himmel dahinglitt, gingen auf
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