Im Reich des Vampirs

Der richtige Umgang mit Jericho Barrons.
    Er schnaubte. »Wenn eine Illusion Sie tröstet, Miss Lane, dann halten Sie daran fest.«
    Â»Blödmann.« Mein Blick stand seinem in nichts nach.
    Er lachte, und ich starrte ihn an, blinzelte und wandte mich ab. Ich sicherte die Geldscheinbündel mit Gummibändern, steckte sie in einen Lederbeutel und tippte die letzten Beträge ein, um die Tageseinnahmen auszurechnen. Für einen Moment hatte Barrons nicht finster, bedrohlich und kalt gewirkt, sondern finster, bedrohlich und  … warm. Um genau zu sein, wenn er lachte, sah er  … na ja, richtig gut aus.
    Ich schnitt eine Grimasse. Offensichtlich hatte ich was Schlechtes zu Mittag gegessen. Ich trug die Tageseinnahmen in ein Buch ein, verstaute den Lederbeutel im Safe hinter mir, dann kam ich um die Ladentheke herum und drehte das Schild an der Tür um. Als ich abschloss, winkte ich Inspector Jayne zu. Ich sah keinen Sinn darin, so zu tun, als wäre er nicht da. Hoffentlich wurde er richtig nass da draußen, fror und langweilte sich zu Tode. Sicherlich brauchte er mich nicht an O’Duffys Tod zu erinnern.
    Â»Was ist mit Mallucé?«, fragte ich. »Ist er definitiv tot?« Ich war in den letzten Tagen so damit beschäftigt gewesen, mir wegen der Feinde, die ich täglich um mich hatte, Sorgen zu machen, dass ich mir nicht den Kopf über die, die ich eine Weile nicht gesehen hatte, zerbrach.
    Mallucé – der als John Johnstone, Jr., und Sohn eines wohlhabenden britischen Finanziers auf die Welt gekommen war – hatte praktischerweise beide Eltern bei einem Autounfall verloren, dessen Hergang nie zur Zufriedenheit der Versicherung geklärt werden konnte. Und John junior war im zarten Alter von vierundzwanzig umgerechnet fast eine Milliarde Dollar in den Schoß gefallen. Prompt hatte er den Namen abgelegt, sich Mallucé genannt und war als ein Untoter aufgetreten. Das war vor acht, neun Jahren gewesen. Damals hatte er einen weltweiten Kult begründet und Anhänger um sich geschart, die in das gotische Herrenhaus strömten, um dem gelbäugigen Steampunk-Vampir zu huldigen.
    Ob er wirklich ein Vampir war oder nicht – Barrons schien eher nicht daran zu glauben –, war nicht gewiss. Ich wusste nur, dass er etwas mehr als menschlich war. Er war bleich, groß mit der muskulösen Figur eines Tänzers, und ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie er einen gut zwei Meter großen, massigen Bodyguard hochgehoben und durchs Zimmer geschleudert hatte. Der Mann starb sofort. Mir war immer noch schleierhaft, wie ich den Schlag überleben konnte, den ich bei der großen Schlacht abbekommen hatte, nachdem ich den Speer in ihn gebohrt hatte.
    Â»Letzte Woche wurde eine Gedenkfeier auf seinem Anwesen abgehalten«, sagte Barrons.
    Ja! Darauf hatte ich gewartet – dass ihn seine Anbeter betrauerten. »Dann ist er also tot.« Ich forderte ihn auf, die Worte auszusprechen. Obwohl mir die Neuigkeit Gewissheitgab, brauchte ich eine Bestätigung von Barrons, dass mir ein böser Bube weniger auf den Fersen war.
    Er schwieg.
    Â»Oh, warum sagen Sie es nicht einfach? Wenn man eine Gedenkfeier für einen Untoten veranstaltet, dann muss das doch bedeuten, dass man das ›Un‹ streichen kann und er wirklich tot ist. Richtig? Anderenfalls hätten sie doch eine schauerliche Willkommen-im-Leben-Party gefeiert und keine Trauerfeier abgehalten.«
    Â»Ich hab Ihnen schon gesagt, Miss Lane, glauben Sie nie, dass etwas tot ist  …«
    Â»Ich weiß, ich weiß  … bevor ich es verbrannt, in der Asche herumgestochert und noch ein, zwei Tage abgewartet habe, ob sich da nicht noch etwas aus der Asche erhebt«, fiel ich ihm ins Wort und verdrehte die Augen. Laut Barrons’ Aussage konnte man gewisse Wesen überhaupt nicht töten. Und er hatte darauf hingewiesen, dass Vampire in diese Kategorie fielen. Augenscheinlich hatte er Vampire für Leichtgläubige nicht gelesen. Die Autoren, die angeblich hunderte Untote befragt hatten, um die Wahrheit über sie zu ergründen – Mallucé war so berühmt, dass sie ihm ein ganzes Kapitel gewidmet hatten –, waren der Ansicht, dass man Vampire sehr leicht pfählen und ins Jenseits befördern oder ihnen weltliche Verletzungen zufügen konnte.
    Â»Sein Anwalt war bei der Auktion, Miss Lane, und hat für einige Objekte kräftig