Im Reich des Vampirs
ihn danach. Offenbar hatten sie bei demselben Meister gelernt, denn auch er wich mir aus: »In Dublin regnet es unaufhörlich. Schauâs dir an.«
Ein kleines Quadrat öffnete sich in der tropischen Landschaft, als hätte Vâlane den Himmel und die Palmen weggezogen und ein Fenster geöffnet. Ich sah den Buchladen. Die StraÃe war dunkel und nass. Ich wäre ganz allein dort.
»Es regnet. Soll ich dich dort hinbringen, MacKayla?«
Ich betrachtete den winzigen Buchladen, die dunklen Gassen auf beiden Seiten, Inspector Jayne, der zitternd auf der anderen StraÃenseite unter einer Laterne saà und das Haus observierte. War das, ein Stück entfernt, die schwache Silhouette meines persönlichen Sensenmannes? Ich hatte den Regen, die Dunkelheit und die Feinde um mich herum so satt. Die Sonne fühlte sich himmlisch auf der Haut an. Beinahe hatte ich vergessen, wie das war. Seit Monaten hatte ich nur Feuchtigkeit und Düsternis erlebt, wie es schien.
Ich wandte mich von dem deprimierenden Anblick ab und richtete den Blick in den strahlend blauen Himmel. Die Sonne hatte mir immer Kraft gegeben, Gesundheit, als würde sie mir Vitamine spenden: die Strahlen brachten Nahrung für meine Seele mit. »Ist sie real?« Ich deutete mit dem Kinn auf die Sonne.
»So real wie deine.« Das Fenster schloss sich wieder.
»Ist sie meine?«
Vâlane schüttelte den Kopf.
»Sind wir im Reich der Feen?«
Er nickte.
Zum ersten Mal seit meiner unfreiwilligen Ankunft nahm ich meine Umgebung richtig wahr. Der Sand war schneeweià und fühlte sich seidig unter meinen FuÃsohlen an; das Meer war azurblau und das Wasser so klar, dass ich eine ganze Landschaft aus regenbogenfarbenen Korallen mit winzigen goldenen und pinkfarbenen Fischen in der Tiefe sehen konnte. Eine Nixe tanzte auf einer Welle und verschwand wieder im Wasser. Die Brandung mit dem silbrigen Schaum spülte Sand an den Strand. Palmen rauschten im Wind und verstreuten üppige rote Blüten über den Sand. Die Luft roch nach seltenen Gewürzen, exotischen Blumen und Salz. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu sagen: Es ist sehr schön hier. Auf keinen Fall würde ich seine Welt loben. Seine Welt zerstörte meine. Seine Welt gehörte nicht auf unseren Planeten. Meine schon.
Trotzdem  ⦠die Sonne war immer schon meine Droge gewesen. Und wenn Vâlane fair spielte â das hieÃ, wenn er nicht noch mal versuchte, mich zu vergewaltigen â, konnte ich vielleicht noch etwas lernen â wer weiÃ? »Wenn du mich anfasst oder in irgendeiner Weise versuchst, meinen Willen zu beeinflussen, dann ist unsere gemeinsame Zeit vorbei. Verstanden?«
»Dein Wunsch ist mir Befehl.« Seine Lippen kräuselten sich zu einem siegesgewissen Lächeln.
Ich nahm die Brille ab und blinzelte in die Sonne, in der Hoffnung, dieses vernichtende Lächeln aus meinem Gedächtnis zu verbannen.
Ich hatte keine Ahnung, wer oder was Vâlane wirklichwar, aber eins wusste ich: Er war ein Feenwesen, und noch dazu ein ungeheuer mächtiges. In diesem Kampf, in dem Wissen so offensichtlich Stärke verlieh und Informationen mich am Leben erhalten würden, konnte ich es mir nicht leisten, mir eine Chance, ein Feenwesen zu befragen, entgehen zu lassen, insbesondere, da Barrons mit seinem eigenen Wissensschatz nicht gerade groÃzügig umging. Aus welchen Gründen auch immer schien Vâlane in diesem Punkt zugänglicher zu sein.
Möglicherweise würde er mir Lügen auftischen, vielleicht in manchen Dingen aber auch nicht. Ich wurde immer besser in der Kunst, die Dinge zu deuten, die mir die Leute erzählten. Die Wahrheit in den Lügen und die Lügen in der Wahrheit zu erkennen.
»Bist du wirklich zweiundachtzigtausend Jahre alt?«
»Ãlter. Das war nur das letzte Mal, als ich Glamour eingesetzt habe, um eine Frau zu verführen. Setz dich, wir plaudern ein bisschen.«
Nach kurzem Zögern hockte ich mich steif auf die Kante des Liegestuhls.
»Entspann dich, MacKayla. Genieà die Sonne. Es könnte für eine lange Weile die letzte Gelegenheit für dich sein, das zu tun.«
Ich fragte mich, was er damit meinte. Betrachtete er sich selbst als Wetterfrosch? Oder konnte er die klimatischen Verhältnisse kontrollieren und Regen heraufbeschwören? Wider besseres Wissen streckte ich die Beine aus und lehnte mich zurück. Ich
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