Im Reich des Vampirs
uns.«
»Was hält deine Mom davon, dass du durch die Gegend läufst und Feenwesen tötest?« Ich konnte mir keine Mutter vorstellen, die damit einverstanden wäre. Andererseits vermuteteich, dass einem geborenen Soldaten in einem Krieg nicht viele Wahlmöglichkeiten blieben.
»Sie ist tot«, erwiderte Dani beiläufig. »Vor sechs Jahren gestorben.«
Ich sagte nicht, dass mir das leidtat. Ich bot keine der Plattitüden an, auf die Menschen in Zeiten der Trauer immer zurückgriffen. Sie helfen nicht. Vielmehr sind sie ärgerlich. Ich nahm Anteil auf Danis Art. »Das ist verdammt beschissen, oder?«, sagte ich mit Nachdruck.
Sie warf mir einen überraschten Blick zu und die Lässigkeit schmolz dahin. »Ja, das stimmt. Ich hasse es.«
»Was ist passiert?«
Ihr Rosenknospenmund zitterte. »Eins von denen hat sie erwischt. Eines Tages finde ich raus, welches, und ich bringe den Mistkerl um.«
Der Rachedurst machte uns zu Schwestern. Ich berührte ihre Schulter und lächelte. Sie erschrak â offensichtlich war sie an Mitgefühl nicht gewöhnt. Vor sechs Jahren dürfte Dani sieben oder acht gewesen sein. »Ich wusste nicht, dass sie schon so lange hier sind«, sagte ich und meinte die Unseelie. »Ich dachte, sie wurden erst kürzlich befreit.«
Dani schüttelte den Kopf. »Nicht ein Un hat sie auf dem Gewissen.«
»Aber die  ⦠anderen â«, ich blieb vage, weil ich den Wind fürchtete, »â töten uns nicht wegen des  ⦠du weiÃt schon.«
»Wegen des Pakts? Das ist verdammter Quatsch. Sie haben nie aufgehört, uns zu töten. Na ja, einige tunâs nicht, aber die meisten schon.«
Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück. Dani schob ihr Rad, sie fühlte sich nicht wohl, wenn wir uns im Freien unterhielten. Wir machten einen kleinen Bogen um den Temple-Bar-Bezirk und überquerten den Liffey-Fluss.
Die Büros des PHI-Kurier-Service lagen in einem dreistöckigen, hellgrün â wie Danis Hose â gestrichenem Gebäude mit kirschroten Verzierungen und groÃen Bogenfenstern. Ãber dem Eingang befand sich dasselbe Emblem wie auf Danis Hemdtasche, aber das Kleeblatt sah irgendwie missgestaltet aus, falsch proportioniert. Etwas daran verwirrte mich. Wäre ich allein in diese StraÃe gekommen und hätte es gesehen, dann wäre ich geradewegs und ohne Zögern in das Haus gegangen â getrieben von einem unwiderstehlichen Zwang.
»Es enthält einen Zauber«, erklärte Dani, als sie sah, dass ich das Kleeblatt musterte. »Es zieht Leute wie uns an. Genau wie die Anzeigen in den Zeitungen. Sie schart uns schon lange um sich.«
»Meinst du nicht, dass du mir Dinge erzählst, die ich ihrer Ansicht nach gar nicht wissen sollte?« Wem galt Danis Loyalität? War sie nicht Rowenas Geschöpf?
Dani überlegte eine Weile und plötzlich bekam ich einen kleinen Einblick in ihren Charakter. Wie ich vertraute sie niemandem. Zumindest nicht voll und ganz. Ich fragte mich, warum.
»Geh nach hinten.« Das rothaarige Mädchen sprang auf das Rad. »Ich muss noch Sachen ausliefern und bin spät dran. Bis bald, Mac.«
Hinter dem Haus standen Dutzende grün-weiÃe Fahrräder, vier Motorräder und zehn Lieferwagen, alle mit dem missgestalteten Kleeblatt gekennzeichnet. Falls PHI eine Tarnung sein sollte, dann hatte sich der Service trotz allem zu einem blühenden Geschäft entwickelt.
Ich stieg die Stufen zum Hintereingang hinauf und klopfte an. Eine Frau in den Vierzigern mit randloser Brille und glänzendem braunem Haar öffnete mir, führte mich insHaus und zwei Treppen hinauf bis zum Ende des Flurs; dort lieà sie mich ohne ein Wort vor einer Tür stehen. Meine Sidhe -Seher-Sinne fingen etwas auf. Entweder war ein Feenwesen oder ein Feenobjekt in dem Raum â und ich bezweifelte, dass es ein Wesen war. Rowena bewahrte wahrscheinlich Danis Schwert ganz in der Nähe auf, vielleicht auch noch andere Relikte.
Ich stieà die Tür auf und trat in ein hübsch eingerichtetes Zimmer mit Holzboden, vertäfelten Wänden und einem riesigen Kamin. Die Sonne drang durch die groÃen Fenster mit den Samtvorhängen. Steh- und Tischlampen beleuchteten jeden Winkel und jede Nische. Offenbar war es unter Sidhe -Seherinnen Brauch, immer alle Lichter brennen zu lassen. Wir hassen die
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