Im Schatten der Akazie
eingelagerten Güter an einen anderen Ort verbracht wurde.«
»An welchen?«
»Das ist mir nicht bekannt.«
»Auf wessen Befehl?«
»Auch das ist mir nicht bekannt, aber sobald mein Gemahl zurückgekehrt ist, kann er deine Fragen beantworten, und alles kommt wieder in Ordnung, dessen bin ich mir sicher.«
»Gleich morgen früh werde ich deine Verzeichnisse der Waren und den Inhalt der Vorratshäuser einer genauen Prüfung unterziehen.«
»Für morgen hatte ich eine Reinigung vorgesehen und …«
»Ich habe nicht viel Zeit, Herrin Cherit. Meine Vorgesetzten verlangen so schnell wie möglich einen Bericht. Du wirst mir also deine Archive zur Verfügung stellen.«
»Es sind deren so viele.«
»Ich werde mich in ihnen zurechtfinden. Dann bis morgen, Herrin Cherit.«
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FÜNFUNDZWANZIG
IE HERRIN CHERIT hatte keine Zeit zu verlieren.
E
D inmal mehr hatte sich ihr Gemahl mit seiner übereilten Antwort wie ein Dummkopf benommen. Als er ihr die Abschrift seines Briefes gezeigt hatte, war sie zwar sehr wütend geworden, doch das Sendschreiben ließ sich nicht mehr zurückholen. Da hatte Cherit ihren Mann sogleich in ein Dorf südlich von Theben geschickt und gehofft, die Sache würde im Sande verlaufen und der Palast würde sich an andere Vorratshäuser wenden.
Zu ihrem großen Bedauern verhielt sich die Obrigkeit ganz anders. Trotz seines absonderlichen Aussehens schien dieser Aufseher entschlossen und unnachgiebig zu sein. Einen Augenblick lang hatte Cherit daran gedacht, ihn zu bestechen, doch das war zu gewagt. Ihr blieb nichts anderes übrig, als den für den Notfall vorgesehenen Plan in die Tat umzusetzen.
Deshalb hielt sie zu der Zeit, da die Vorratshäuser geschlossen wurden, vier Arbeiter zurück. Sie würde dabei viel verlieren, aber es war der einzige Weg, der Gerichtsbarkeit zu entrinnen. Diese schmerzliche Einbuße brachte sie um beachtliche Erträge aus den geduldig beiseite geschafften Waren.
»Um Mitternacht«, so befahl Cherit ihren vier Bediensteten,
»schleicht ihr in das Gebäude linkerseits des großen Vorratshauses.«
»Das ist immer abgeschlossen«, wandte einer der Männer ein.
»Ich werde es euch aufschließen. Dann bringt ihr alles, was sich da drinnen befindet, in den Hauptspeicher, so schnell und lautlos wie möglich.«
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»Das ist aber nicht unsere übliche Arbeitszeit, Herrin.«
»Deshalb bekommt ihr auch einen zusätzlichen Lohn, der dem für eine ganze Woche entspricht. Und wenn ich wirklich zufrieden bin, lege ich noch etwas drauf.«
Ein breites Lächeln zeigte sich auf den Gesichtern der vier Männer.
»Und danach vergeßt ihr diese Nacht der Arbeit. Sind wir uns darin einig?«
In Cherits schneidender Stimme schwang eine kaum verhohlene Drohung mit.
»Einverstanden, Herrin!«
Das Viertel der Vorratshäuser war nahezu menschenleer. Nur Wachsoldaten mit ihren Windhunden durchstreiften in regelmäßigen Zeitabständen die Straßen.
In einem weitläufigen Gebäude, in dem hölzerne Schlitten untergestellt waren, die zur Beförderung sehr schwerer Lasten verwendet wurden, hielten sich die vier Männer versteckt.
Nachdem sie Bier getrunken und frisches Brot gegessen hatten, schliefen sie abwechselnd.
Mitten in der Nacht ertönte die gebieterische Stimme der Herrin Cherit.
»Kommt!«
Sie hatte die Siegel aus getrocknetem Lehm gelöst und die hölzernen Riegel aufgeschoben, die den Zugang zu dem Gebäude verwehrten, in dem ihr Gemahl angeblich Kupferbarren für die Werkstätten der Tempel aufbewahrte.
Ohne Fragen zu stellen, trugen die Arbeiter nicht nur an die hundert Krüge Wein bester Güte hinaus, sondern auch vierhundertfünfzig Stück feines Leinen, sechshundert Paar Sandalen aus Leder, in Einzelteile zerlegte Wagen, mehr als tausend Brocken Kupfererz, dreihundert Ballen Wolle und 180
etwa hundert Alabasterschalen.
Als die Lagerarbeiter die letzten Schalen abstellten, kam Setaou plötzlich aus dem hintersten Winkel des Vorratshauses hervor, wo er sich verborgen hatte, um diesem Schauspiel beizuwohnen.
»Gut gemacht, Herrin Cherit«, stellte er fest. »Du gibst also zurück, was du gestohlen hattest, und möchtest damit meine Untersuchung ersticken. Wirklich gut gemacht, aber zu spät.«
Die kleine dunkelhaarige Frau bewahrte ihren Gleichmut.
»Was verlangst du für dein Schweigen?«
»Nenne mir die Namen deiner Spießgesellen. Wem verkaufst du die gestohlenen Dinge?«
»Das ist nicht von Belang.«
»Rede, Herrin Cherit!«
»Lehnst du es ab zu
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