Im Schatten der Blutrose - Vampir-Roman (German Edition)
müsse er sich zusammennehmen, um nicht zu grinsen,
wobei ich mir nicht sicher sein konnte. Ich hätte mir das bei meiner Paranoia
auch gut einbilden können, so minimal waren die Bewegungen unter seiner Haut,
die ich glaubte zu sehen. Ich focht einen inneren Kampf mit mir aus, ihn
wegzuschieben, zu stoßen oder aber gleich zu wecken. Doch dann schaltete sich
noch eine weitere innere Partei in mir ein, die ganz und gar zufrieden mit der
Situation war, und die immer stärker die Oberhand gewann, je länger ich Ayden
ansah. Ich schluckte hart und wandte mich dann wieder ab. Wenn schon, denn
schon ... ich konnte ihn im Nachhinein immer noch ankeifen, dass er sich so
etwas erlaubt hatte. Wobei es durchaus auch schmeichelhaft war ...
Etwa dreißig Minuten später kamen wir in Port Puponga
an. Wir fuhren weiter, die Freeman Accs entlang, bis der Weg direkt am Strand
endete. Bevor ich Ayden auch nur ansatzweise wachrütteln konnte, war er, wie
durch eine innere Uhr geweckt, auch schon aufgesprungen und zog mich an der
Hand nach draußen. Seine kühle Haut war eine angenehme Erfrischung in der Hitze
draußen. Heute hatte das Thermometer erstaunliche 25° C erreicht und das,
obwohl die Temperatur für den Monat April sehr unüblich war.
Das hatten natürlich sehr viele Jahrgangskameraden zum
Anlass genommen, ihre Badesachen mitzunehmen, ich hatte sie bewusst noch tiefer
im Kleiderschrank versteckt. Die Jungs schenkten mir auch so schon genug
Aufmerksamkeit, warum auch immer, da musste ich sie nicht auch noch zusätzlich
reizen. Es reichte schon, dass ich ein rotes Spaghettiträger-Top und
Jeansshorts trug und damit mehr als genug meiner bleichen Haut zeigte.
Meine Mutter hatte immer einen Nervenzusammenbruch
bekommen, weil ich einfach nicht braun wurde. Sie hatte alles versucht:
Kalifornien, Sonnenstudios, Cremes ... doch meine Haut blieb stur bei der
gleichen Farbe. Sie war blass, aber hatte dennoch einen Hauch von gelb-braun in
den Farbpigmenten, eine wahrlich einzigartige Farbkombination für ein Mädchen,
das so gut wie ständig draußen Sport getrieben hatte. Später verlagerte ich
meine Aktivitäten in mein Zimmer. Hier jedoch, neben Ayden, Kira und Cináed fühlte
ich mich nicht mehr so aussätzig. Die drei und Kenneth waren zwar noch einen
Tick blasser als ich, aber nicht so drastisch, dass man es von Weitem erkennen
konnte. Vermutlich auch ein Grund, warum ich Ayden irgendwie mochte. Ein bescheuerter
zwar, aber ein Grund ...
Sobald wir aus dem Bus waren, ließ Ayden meine Hand
wieder los und ging zu Mr. Warner, der gerade die Schüler zu sich winkte. Ich
folgte zögernd. Ich hatte keine Lust, die nervige Belehrung zu hören, dass man
immer zu zweit oder in Dreiergruppen unterwegs sein sollte. Ich war achtzehn
und konnte hundertmal besser auf mich selbst aufpassen als alle zusammen, so
viel war sicher. „Ihr dürft euch aussuchen, wann ihr die mindestens fünf Meilen
lange Wanderung macht, der Rest ist dann Freizeit“, verkündete der Lehrer mit
ausgebreiteten Armen und ließ sich quasi von der Menge feiern. Ich verdrehte
nur die Augen. „Wie weit ist es bis zum östlichsten Ende des Farewell Spits?“,
wollte ich laut wissen. Mr. Warner sah mich mit leuchtenden Augen an, da er
einen potenziellen Sportler witterte, der womöglich die gesamte Strecke laufen
würde. „Ungefähr 16 Meilen auf dem Grad zum Meer“, antwortete er stolz. Ein
Schaudern durchlief die Menge, offenbar wollte sich das niemand zumuten.
Perfekt. Dann hatte ich meine Ruhe.
„Wenn ich das heute noch schaffen soll, mach ich mich
auf die Socken“, gab ich nur zurück und lief zielsicher an dem Rest der Gruppe
vorbei. Wir waren am Ende des Freeman Accs, dort, wo er zu einer Art Wanderweg
verkümmerte. Man konnte sich ohnehin nicht verlaufen, es gab nur einen Weg zur
Spitze des Spits, es sei denn, man wollte schwimmen.
„Wunderbar! Was für ein Sportsgeist! Nimmt noch jemand
die Herausforderung auf sich?“, fragte Mr. Warner glücklich in die Runde. Ich
ließ mich zwar nicht dazu herab, mich umzudrehen und zu sehen, wer noch
glaubte, genug Schneid für so eine Wanderung zu haben. Und doch wusste ich
instinktiv, wer mitkommen würde ... „Ich. Bis nachher“, ertönte die samtene,
leicht dunkle Stimme Aydens und gleich darauf war er neben mir und schlenderte
gemütlich dahin, den Blick nach vorn gerichtet. Ich warf ihm einen fragenden
Seitenblick zu, den er zunächst nur mit einem Grinsen beantwortete. „Dachtest
du etwa allen
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