Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
urteilen, stammten sie von Faustschlägen, nicht von einem Knüppel oder etwas ähnlichem. Diese Prellungen waren mit Sicherheit schmerzhaft gewesen, aber nicht tödlich. Die Stiche in den Leib und die Brust mussten den Tod verursacht haben, Wilhelms Hemd war auf Bauchhöhe blutgetränkt. Dann fielen Nikolaus die Fesselmale an den Handgelenken auf.
Die Sakramente waren zum Glück schnell vollzogen, und er konnte sich wieder voll auf den Leichnam konzentrieren.
»Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich die sterblichen Überreste des jungen Herrn näher untersuche?«
Die Vettern blickten überrascht auf. »Was soll das bringen?«, fragte Wolfgang Hecken.
»Ich möchte genauer wissen, wie er umgekommen ist.«
»Das sieht man doch! Christina hat ihn abgemurkst!«
»Sind Euch nicht die Fesselspuren aufgefallen?« Nikolaus zeigte auf die Handgelenke.
Die beiden drängten sich erstaunt neben Nikolaus. »Ja, und?«
»Das zeigt mir, dass Wilhelm nicht einfach erstochen wurde, sondern gebunden war.«
»Was?«, schrie Hans. »Sie hat ihn erst gefesselt und, als er schutzlos war, erstochen? Ohne dass er sich wie ein ehrenhafter Mann wehren konnte? So eine widerliche Hexe! Ich bring sie auf der Stelle um!«
Auch sein Vetter war kaum noch zu halten. Nikolaus konnte sie nur mit Mühe wieder beruhigen und sie dazu bringen, ihm zuzuhören. »Glaubt Ihr wirklich, dass Christina in der Lage wäre, einen so kräftigen Mann zu fesseln?«
Die beiden Vettern zuckten mit den Schultern. »Muss sie wohl. Sieht man doch.«
»Was müsste ich tun, um Euch zu fesseln?«
Hans Hecken kratzte sich am Kopf. »Nun, ja … Ihr müsstet mich überwältigen.«
»Fiele mir das wohl leicht?«
Ein hämisches Grinsen huschte über sein Gesicht. »Schwerlich.« Er richtete sich auf und schob die Brust vor. Er war etwas größer und auf jeden Fall stämmiger als Nikolaus.
»Wie konnte solch eine zierliche Frau das dann schaffen?«
Plötzlich wurden Wilhelms Freunde sehr still. Nikolaus beobachtete dies mit einer gewissen Genugtuung.
»Und wenn sie Wilhelm erst betäubt hat?«, warf Wolfgang ein.
»Wie?«
»Was weiß ich? Vielleicht … äh … vielleicht hat sie ihm hinterrücks eins über die Rübe gehauen.«
Nikolaus warf einen Blick auf Wilhelms Kopf, doch waren weder eine Beule noch eine Wunde zu erkennen. »Nichts«, stellte er fest.
»Dann hat sie ihn mit ihrem Messer bedroht«, schlug Hans vor.
»Du spinnst doch!«, fuhr Wolfgang dazwischen. »Über das kleine Messerchen hätte der doch nur gelacht und es ihr einfach aus der Hand geschlagen.«
»Dann hat sie ihn eben verhext.«
Jetzt lächelte Nikolaus. »Wenn den Leuten nichts mehr einfällt, kommen sie gleich mit Hexerei, Bannsprüchen und Teufelskunst. Anstatt einmal genauer hinzuschauen und alle Tatsachen unvoreingenommen zu betrachten, werden lieber irgendwelche Ammenmärchen hervorgeholt, die besser zu den eigenen Vorurteilen passen.«
»Wollt Ihr etwa behaupten, wir hätten uns das mit Christinas Messer nur ausgedacht?«
Nikolaus hob abwehrend die Hände. »Oh, nein! Das glaube ich Euch schon. Aber muss es deswegen Christina auch gewesen sein?«
»Wer denn sonst?«
»Zum Beispiel jemand, der das Messer gestohlen hat. Wir haben doch schon festgestellt, dass sie Wilhelm kaum überwältigt haben konnte. Oder?«
Die Vettern nickten stumm.
»Also: Warum sollte es nicht ein anderer gewesen sein?«
Hans fragte vorwurfsvoll: »Und wer?«
»Lasst uns zusammen den Leichnam untersuchen. Möglich, dass wir noch Hinweise finden.«
Nach kurzer Beratschlagung zeigten sich die beiden einverstanden.
Nikolaus begann mit der Untersuchung. Wilhelms gesamte Kleidung war staubig, ebenso sein Gesicht und seine Haare, beinahe so, als ob er durch den Dreck gezogen worden wäre. Dass seine Hände und Ärmel nicht blutverschmiert waren, zeigte, dass Wilhelm bis zu seinem Tod oder, zumindest bis er das Bewusstsein verlor, gebunden gewesen war, denn ansonsten hätte er mit Sicherheit seine Hände gegen die Wunden gepresst. Zusammen mit den Vettern öffnete Nikolaus das Hemd des Toten. Der Bauchraum wies mehrere Stichwunden auf. Da sich nur auf der unteren Körperhälfte Blutspuren an der Kleidung befanden, konnte man davon ausgehen, dass Wilhelm gestanden haben musste, als ihm die Verletzungen zugefügt worden waren. Die Einstiche waren recht schmal; eine Überprüfung mit der Klinge des Messers von Christina ergab, dass dieses Messer die Tatwaffe sein musste. Nikolaus war sich sicher, dass die
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