Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
auch alles voller Blut sein.« Dabei durchwühlte er mit der Fußspitze den trockenen Straßendreck nach möglichen Spuren. »Nein. Er wurde mit einem Wagen oder Karren hierhergebracht und dann einfach an der Seite heruntergeworfen. Daher lag er auch längs zum Wegesrand. Und dann stieß man ihm Christinas Messer in die Brust.«
Er drehte sich um die Achse, um die Umgebung genauer zu betrachten. Alles nur Ackerland. Zwischen den Feldern gab es nur wenige einzelne Häuser.
»Wie wurde der Leichnam eigentlich entdeckt?«
»Ein Knecht fand ihn. Er erkannte Wilhelm und kam sofort zu uns. Dann haben wir schnell einen Karren besorgt und sind zur Burg geeilt.«
»Wird dieser Weg oft genutzt?«
Hans zeigte zum Waldrand. »Da geht es weiter nach Laufeld und Oberöfflingen. Hier kommt eigentlich andauernd jemand vorbei.«
»Es war demnach unvermeidlich, dass Wilhelm gefunden wurde?«
Wolfgang nickte.
»Also war es wohl Absicht, dass er gerade hier abgeladen wurde?«
»Äh…«, Hilfe suchend blickte Wolfgang zu seinem Vetter hinüber. Doch der war genauso ratlos und antwortete nur: »Mag so sein.«
Nikolaus war sich sicher, dass Wilhelm so abgelegt worden war, dass er so schnell wie möglich gefunden werden würde – natürlich mit dem Messer in der Brust, um den Verdacht auf Christina zu lenken. Aber wiederum so weit von den Siedlungen entfernt, dass die Gefahr des Entdecktwerdens beim Abladen so gering wie möglich blieb. Der Mörder musste nicht nur äußerst grausam und rachsüchtig, sondern auch schlau gewesen sein. Im Moment kam dem jungen Mann nur ein passender Name in den Sinn: Dietrich von Manderscheid, der Sohn des Burgherrn. Nikolaus war verzweifelt. Christinas Unschuld beweisen zu können, war damit so erfolgversprechend wie das Melken eines Ochsen.
Er fragte: »Warum holte man gerade Euch, als man Wilhelm fand?«
Wolfgang Hecken zeigte auf ein paar Häuser zwischen den Feldern. »Dort hinten wohnen Hans und ich jeweils bei unseren Eltern auf einem Hof.«
Nikolaus war sicher, dass Wilhelm nicht in unmittelbarer Nähe dieser Häuser umgebracht worden war, seine Schreie, sein stundenlanges Stöhnen und Sterben hätte man bestimmt gehört. Der eigentliche Mord war irgendwo anders geschehen. Jedoch war die Leiche mit Absicht hier abgelegt worden. Warum? Damit die beiden Vettern zu den Ersten am Fundort gehörten? Damit sie sahen, was mit ihrem Freund geschehen war? Um sie zu warnen? Aber weder Hans noch Wolfgang machten den Eindruck, als hätten sie plötzlich Angst bekommen. Die beiden waren bestimmt nicht so dämlich, einen so deutlichen Hinweis nicht zu verstehen. Warum also hier? Oder war der Mörder der Meinung, dass nur diese beiden Christinas Messer sofort erkennen würden?
Nikolaus bedankte sich bei den Vettern für ihre Hilfe und bat sie noch einmal, Augen und Ohren offen zu halten. Ohne den Namen zu nennen, wussten sie sofort, wen er meinte. Sie versprachen es.
»Gebt uns Bescheid, wenn Ihr wieder Hilfe braucht«, ergänzte Wolfgang zum Schluss. »Wir wollen das Schwein kriegen. Egal, wer es ist.«
Mit gemischten Gefühlen machte sich Nikolaus auf den Weg zurück nach Niedermanderscheid. Er wollte unbedingt mit Christinas Freundin Isabe sprechen.
Isabe
Kurz nach Mittag war er wieder im Ort unterhalb der Burg und ging gleich zu dem kleinen Hof, den die Vettern ihm vorhin gezeigt hatten. Das Haus war eines der üblichen, wie sie Halb- oder Viertelbauern hatten – also all jene, die nicht genug eigenes Land hatten und zeitweise bei einem Großbauern oder dem Grundherrn arbeiten mussten. Auf der einen Seite hauste die Familie mit Großeltern, Eltern und Kindern in ein oder zwei Zimmern, und in der zweiten Hälfte gab es einen Stall mit Federvieh und ein paar Ziegen oder einem Schwein. Dazwischen lag der Wirtschaftsraum mit der Kochstelle.
Ein älterer Mann stapelte gerade Holzscheite zum Trocknen an der Hauswand auf. Nikolaus grüßte freundlich, aber der Hausherr antwortete nur mit einem Brummen und ließ sich nicht stören.
»Ich möchte gerne mit Isabe sprechen.«
Ohne aufzublicken knurrte er: »Warum?«
»Vielleicht kann Isabe helfen, dass Christina Rüth nicht hingerichtet wird.«
»Meine Schwiegertochter hat nix mit dem Mord zu tun. Ihr könnt´ wieder geh´n.«
Nikolaus wurde ärgerlich. Er mochte es gar nicht, wenn ihm jemand unhöflich kam und ihm während des ganzen Gesprächs nur das Hinterteil entgegenstreckte. Deshalb sagte er nun scharf: »Wollt Ihr denn nicht einer
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