Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
Wunder? Der Blödmann stänkert doch ´rum, wo er nur kann. Benimmt sich wie ein Fürst auf seiner Burg, obwohl er nur ´ne Handvoll Soldaten hat. Die hält er aber auch immer auf Trab – oft genug für eigene Geschäfte. Gegen den ist der Herr Dietrich ein Waisenknabe. Wir auf dieser Seite leiden unter den Steuern, die auf der anderen Seite unter den Forderungen eines Mathias Thies. Und am liebsten würde er seine dreckigen Geschäfte auch auf unser Gebiet ausdehnen. Zum Glück hat Wilhelm ihm so manches Mal auf die Finger gehauen.«
Nikolaus war fassungslos. Wusste der Kurfürst nichts davon? »Und bisher hat sich noch kein Bewohner aus Obermanderscheid beschwert?«
»Da müsste schon einer zum Erzbischof. Aber wer hat so viel Mumm?«
Nikolaus musste dem ehrlicherweise zustimmen. Die Angst vor Vergeltungen hatte schon so manchen davon abgehalten, etwas zu sagen – auch wenn er das Recht dazu hatte. Wem wurde denn eher geglaubt? Dem kleinen Bauern oder Handwerker, der keinerlei Beistand hatte? Oder dem einflussreichen Amtmann, der sich auf all jene verlassen konnte, die ihm einen Gefallen schuldig waren oder die er für einen solchen bezahlen konnte?
Als das Gespräch ins Stocken geriet, wollten sich die beiden Vettern verabschieden, aber der junge Gelehrte bat sie, ihm den Platz zu zeigen, wo Wilhelm gefunden worden war. Vielleicht konnte man dort noch Hinweise auf den Mörder finden. Die Heckens erklärten sich nach kurzem Überlegen bereit dazu. Also nahmen die drei Männer den Weg, auf dem Nikolaus ins Tal gekommen war.
Als sie die Schlucht hinaufstiegen, stellte Nikolaus eine Frage, die ihm schon eine Weile auf dem Herzen lag. »Wie standen eigentlich Wilhelm und sein Bruder Dietrich zueinander?«
Die beiden Vettern blieben wie angewurzelt stehen und blickten sich ängstlich um. Erst als sie sich überzeugt hatten, dass wirklich niemand in der Nähe war, kamen sie näher.
Ärgerlich zischte Wolfgang: »Seid Ihr verrückt? Nicht so laut! Wenn das einer hört!«
»Was ist denn so schlimm an der Frage?«, entgegnete Nikolaus leise.
»Es war noch nie gut, sich allzu offen über Dietrich zu unterhalten. Der hat seine Augen und Ohren überall.«
»Genau!«, ergänzte Hans. »Jeder, der sich beschwert, muss damit rechnen, dass er plötzlich im Wald überfallen und fast zu Tode geprügelt wird. Oder eines Morgens ist plötzlich das Schwein oder die Ziege krepiert. Nicht mehr lange, und der junge Herr ist mächtiger als sein Vater.«
Nikolaus´ Aufmerksamkeit war gefesselt. »Wenn ich Euch richtig verstehe, hätte Dietrich auch kaum Skrupel, seinem Bruder eins auszuwischen?«
Die Vettern prallten zurück. Man sah ihnen den inneren Kampf nur zu deutlich an. Konnten sie gegenüber einem Fremden, dem sie erst heute Morgen zum ersten Mal begegnet waren, so offen sein? Jemandem, der sogar behauptet hatte, Dietrichs Bruder Ulrich zu kennen? Oder sollten sie lieber schweigen und den neugierigen Kerl so schnell wie möglich wieder loswerden?
Nikolaus konnte ihre Zweifel verstehen. »Ich werde keinen von Euch verraten. Das schwöre ich beim Leben meiner Eltern. Aber ich möchte gerne herausfinden, wer Wilhelm umgebracht hat. Mir gefällt es nicht, dass eine Unschuldige so einfach geopfert wird und der wahre Schuldige noch frei herumläuft. Außerdem ist dies das erste Mal, dass ich ein Verbrechen in der Realität verfolgen kann. Bisher kenne ich Mord und Totschlag nur aus irgendwelchen verstaubten Gerichtsdokumenten. Bitte glaubt mir, dass ich Euch nicht hinters Licht führen will.«
Nach einem geflüsterten heftigen Wortwechsel waren sich die Vettern einig. In unmissverständlichen Worten machte Wolfgang ihren Standpunkt klar: »Wenn Ihr uns anschwärzt, verlasst Ihr das Tal nur noch als Leiche. Wir haben gute Freunde, denen wir nur einen kurzen Hinweis geben müssen, und Ihr seid dran.«
Nikolaus versicherte, dass er die Drohung verstanden hatte.
Wolfgang Hecken nickte. »Gut für Euch.«
»Was könnt Ihr mir also sagen?«
Hans begann mit leiser Stimme zu erzählen. Dabei blickte er sich zwischendurch immer wieder unruhig um, um sich zu versichern, dass kein ungebetener Gast mithorchte. »Dietrich wurde von seinem Vater und seiner Mutter streng erzogen – schließlich sollte er der zukünftige Herr von Manderscheid werden. Als er dreizehn Jahre alt war, kam Wilhelm zur Welt. Wilhelm wurde nach dem Großvater 11 benannt. Doch die Burgherrin verstarb tragischerweise kurz nach der Entbindung. Dietrich hat von
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