Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
Sonst kamen nur Personen im geistlichen Stand, eventuell reiche Bürger und einige Adelige in den Genuss von Bildung. War sie früher einmal Nonne gewesen? Warum hatte sie ihre Berufung aufgegeben? Wegen Reginus Müller? Doch darüber konnte Nikolaus ein anderes Mal nachdenken. Deshalb wandte er Isabe wieder seine Aufmerksamkeit zu: »Hatte Christina Probleme mit Männern?«
Die junge Frau lief rot an und legte ihre Hände verschämt auf den Mund. »Sie ist so schön, dafür kann sie doch nichts. Auch wenn ich sie darum immer beneidet habe. Einige Burschen sind sehr aufdringlich, aber sie will niemanden, der dümmer ist als sie. Bei einigen ganz dreisten hat sie einfach ihr Messer gezogen und ihnen an … äh …«, sie schaute verlegen zu Boden, »also dahin gezielt, wo … mmh … bei Männern … wo es halt schlimm wäre. Dann hat es nie einer ein zweites Mal gewagt, sie anzufassen.«
»Und was war mit Wilhelm?«
»Wilhelm und seine beiden Freunde Wolf und Hans haben sich auf ´nem Hochzeitsfest vor ein paar Wochen ganz schön darum geprügelt, wer Christina bekommt. Als die drei ihre Messer zogen, kamen zum Glück ein paar Burgwachen dazwischen. Sonst hätten sie sich bestimmt gegenseitig was angetan. Danach waren die tagelang zerstritten.« Sie kicherte. »Und sahen ganz schön verbeult aus, mit ihren dicken Lippen und blauen Augen.«
Das war ja sehr interessant. Wilhelm und die beiden Vettern waren doch nicht immer ein Herz und eine Seele gewesen. Wenn es um Frauen ging, endete ihre Freundschaft. Was hatte Wolfgang heute Vormittag noch gesagt? Vor Christina hatte Wilhelm ein Mädchen, das auch er gern gehabt hätte. Konnte das ein Motiv für die beiden Vettern sein? Wenn wir Christina nicht bekommen, dann soll sie keiner bekommen. Und die beiden hatte Nikolaus um Hilfe gebeten. Hoffentlich hatte er sich damit nicht selbst ein Bein gestellt.
»Hat Christina eigentlich einen Freund? Einen Bräutigam, den sie akzeptiert?«
»Oh ja! Die beiden wollen heiraten.«
»Und wer ist der Glückliche?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Den Namen wollte sie selbst mir nicht sagen.«
»Aber ihr Vater müsste es doch sicherlich wissen.«
»Mmh … ich denk mal schon.«
Na schön. Sonderlich viel Interessantes hatte Nikolaus hier bis jetzt nicht erfahren. Von einer echten Freundin hatte er mehr Offenheit erwartet. Oder war die Freundschaft vielleicht gar nicht so eng? »Gibt es sonst noch etwas, das Ihr mir erzählen könnt?«
»Mmh … Meint Ihr so was wie, dass ihr ein Kleid gestohlen wurde?«
»Vielleicht. Was war denn so außergewöhnlich an dem Diebstahl?«
»Es war ihr gutes schwarzes Kleid – wunderhübsch, mit wertvoller Stickerei. Ein paar böse Frauen beschimpfen sie andauernd und erzählen schlimme Dinge, die nicht stimmen. Die waren das bestimmt. Die haben nämlich immer über das Kleid gelästert. Sie sähe darin aus wie eine … äh …« Wieder lief Isabe rot an. »Ihr wisst schon. Wie eine Frau, die nur gegen Geld nett zu den Männern ist. Aber glaubt mir, so was macht Christina nicht. Die Frauen sind nur neidisch.«
»Hatte Christina denn auch vermutet, dass diese Frauen das Kleid gestohlen hatten?«
»Sie war sich sicher.«
»Wieso?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und sie hat nichts gesagt? Die Wachen hätten doch sicher dafür gesorgt, dass sie das Kleid zurückbekommt.«
»Christina wollte nichts sagen. Sie meinte, dass das nur noch mehr Ärger bringt. Sie wollte dem lieber aus dem Weg gehen.«
»Und wer sind die Frauen?«
Isabe beugte sich vor und hielt die Hand nahe an den Mund. Leise antwortete sie: »Es sind die Nachbarinnen gegenüber.« Verstohlen deutete sie auf drei Häuser. »Die hocken andauernd zusammen und tratschen. Die sind richtig bösartig. Letzte Woche haben sie Christina sogar mit Pferdeäpfeln beworfen. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Zum Glück konnte Christina noch schnell genug weglaufen.«
Vorsichtig lugte Nikolaus hinüber, konnte aber niemanden sehen. Höchstwahrscheinlich waren die Leute auf dem Feld oder im Stall. Für einen kleinen Bauern gab es zu dieser Jahreszeit immer etwas zu tun. Er bedankte sich bei Isabe und verabschiedete sich.
»Wenn ich helfen konnte, gern.« Im nächsten Augenblick war die junge Frau wieder im Haus verschwunden.
Nikolaus war etwas ratlos über das weitere Vorgehen. Er hatte zwar einiges von den Vettern und von Isabe erfahren, aber er konnte überhaupt nicht einschätzen, ob die Hinweise brauchbar waren oder nicht. Als Fremder, als
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