Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
im Dunkeln den Weg entlang.«
Nikolaus schwindelte. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er gesehen worden war. Wo hatte der Köhler gesteckt, dass er ihn bemerkt haben konnte? Er hätte lieber im Bett bleiben sollen, anstatt irgendwelchen Hirngespinsten und Fantastereien zu folgen. Wie konnte er als studierter und gebildeter Mann, als ein Doktor der Juristerei, nur so dämlich sein? Jetzt sah es schlecht aus für ihn.
»Was hat er auf dem Weg getan?«, wollte der Hauptmann wissen.
»Er saß am Wegesrand zwischen den Bäumen, als würde er auf etwas warten.«
»Auf Wilhelm!«, schrie die Magd dazwischen.
Und zur Bestätigung nickten plötzlich mehrere der Männer. Einige murmelten: »Er war´s.«
Aber der Hauptmann ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit Nachdruck in der Stimme fragte er den Köhler: »Was habt Ihr nun wirklich gesehen?«
Der Köhler schaute sich nun ein wenig verwirrt um. »Also …« Er schob seine Mütze nach hinten und kratzte sich das schüttere Haar. »Nur dass der da saß. Als er dann den Berg hochging, bin ich nach Hause gegangen.«
»Und sonst war da niemand?«
»Mmh … nein.«
Seidel beugte sich vor, als hätte er schlecht gehört. »Und Euch hat er nicht gesehen?«
Verlegen blickte er zur Erde. »Ich wartete ein Stückchen weiter.«
»Ihr hattet Euch also auch versteckt?«
»Schon … ja. Dem einen oder anderen gefällt es halt nicht, wenn er weiß, dass er gesehen wird.«
»Also ist es nur eine Vermutung, dass er etwas mit dem Mord zu tun haben könnte.«
Der Köhler zuckte mit den Schultern.
»Aber genauso trifft das auch auf Euch zu. Ihr habt Euch ja schließlich auch versteckt.«
»Ich?« Verängstigt blickte der Mann den Soldaten an.
»Ja, Ihr!« Der Hauptmann richtete sich auf und schaute dann drohend in die Runde. »Oder wie jeder andere, der in der Nacht noch unterwegs war.«
Plötzlich herrschte eisiges Schweigen. Niemand wagte es, zu widersprechen.
»Die Unterredung ist vorbei. Ihr …«, damit zeigte er auf den Köhler und Nikolaus, »… dürft jetzt gehen. Die anderen helfen mit, Wolfgang in sein Elternhaus zu bringen.«
Ohne Widerrede machte sich jeder an die Arbeit, und die kleine Schar löste sich schnell auf. Auch Nikolaus und der Köhler machten sich eilig daran, die Burg zu verlassen.
Beim Herrn von Manderscheid
Nikolaus atmete erleichtert durch. Das war knapp gewesen. In was für einen Schlamassel war er da nur hineingeraten? Gerade wollte er an der Torwache vorbeihuschen, als hinter ihm sein Name gerufen wurde. Wie angewurzelt blieb er stehen. Nicht schon wieder! Vorsichtig drehte er sich um. Eine Wache kam auf ihn zu. »Unser Herr will Euch umgehend sprechen.«
Sein Herz begann wie verrückt zu schlagen. Wie oft wollte man ihn heute denn noch in Angst und Schrecken versetzen? »Was ist denn?«
»Keine Ahnung. Ich soll Euch nur zu ihm bringen. Falls Ihr Euch aber weigern solltet …«
»Nein, nein, natürlich nicht.« Resigniert hob er die Hände und ergab sich in sein Schicksal.
Immer ein oder zwei Schritte hinter ihm gehend, brachte die Wache Nikolaus den Hang hinauf, wiederum in den Palas. Inzwischen kannte er den Weg auswendig.
»Wartet hier!«, schnauzte ihn der Soldat an und verschwand.
Nikolaus lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Was war das heute für ein Tag! Erst hatte er mit dem maskierten Roden kämpfen müssen, wäre dann fast von Rüth verprügelt worden, Hans hatte ihn mit einem Messer angegriffen, er hatte einen Toten gefunden, und schließlich wurde er auch noch des Mordes beschuldigt. Was kam nun?
Wütend rief er aus: »Womit habe ich das verdient? Was habe ich falsch gemacht?«
Aber niemand antwortete ihm. Wer auch? Niemand vertraute ihm, dem neugierigen Fremden. Am liebsten wäre er auf der Stelle auf und davon und hätte die Ereignisse der letzten Tage so schnell wie möglich vergessen. Aber da war noch Christina – sie brauchte dringend Hilfe. Nicht einmal ihr eigener Vater wollte ihr helfen. Auch sie war allein.
Plötzlich öffnete sich die Tür zum Palas. Nikolaus schreckte auf, voller Angst vor dem, was nun kommen mochte. Langsam, auf seinen Stock gestützt, kam der Burgherr Dietrich herein. Er wies die Wache an, draußen zu bleiben. Ehrerbietig verneigte sich der junge Mann tiefer als üblich. Er wollte nichts riskieren.
Dietrich I. tat so, als beachte er Nikolaus nicht, und ging zum Fenster. Starr blickte er hinaus. Er machte einen sehr müden, fast gebrechlichen Eindruck. Das fahle Licht, das
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