Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
ihren Komplizen gehalten.«
Seidel zog die Augenbrauen erstaunt hoch. »Ihr habt mir einen Mord zugetraut?«
»Nicht Euch persönlich, sondern Christinas Freund. Ich wusste ja nicht, mit wem sie zusammen ist.«
Der Hauptmann nickte nur. Wieder saßen die beiden schweigend einander gegenüber und dachten jeder für sich an die verfahrene Situation. Wie konnte man Christina helfen? Gab es überhaupt noch eine Möglichkeit, ihre Unschuld zu beweisen?
Bei der vielen Grübelei kam Nikolaus wieder sein zweiter Tag hier im Tal in den Sinn, als Wilhelm gefunden und in den Palas gebracht worden war. Nikolaus dachte an die seltsame Reaktion Dietrichs, als er Christina zum ersten Mal gesehen hatte. Nikolaus fragte den Hauptmann nach seiner Meinung dazu.
Der schüttelte nur den Kopf. »Mir ist das nicht aufgefallen. Vielleicht stand ich auch zu weit abseits. Aber an wen Christina ihn erinnern könnte, weiß ich nicht. Seine Frau ist schon lange tot. Die habe ich nie gesehen. Aber ich erinnere mich auch nicht, dass mir jemand erzählt hat, wie sie ausgesehen haben soll, ob es da gewisse Ähnlichkeiten gab.«
Wieder nichts. Nikolaus war ein wenig enttäuscht. Immer wenn ihm eine außergewöhnliche Einzelheit in den Sinn kam, verlief sich die Spur im Sande. Es war wie verhext.
»Habt Ihr eigentlich Christinas Messer noch?«
»Klar.«
»Kann ich es bitte einmal sehen?«
Seidel beugte sich vor und zog die kleine Waffe aus einem seiner Stiefel, wo er sie gut versteckt mit sich herumgetragen hatte. Dann legte er sie wortlos mitten auf den Tisch. Nikolaus nahm das Messer und hielt es näher an die flackernde Lampe. Der Holzgriff war dunkel und blank poliert, die Schneide lang und schmal. Das einzig Auffällige war ein Wappen als Einlegearbeit aus verschiedenfarbigen Hölzern im Griff. Das konnte alles Mögliche bedeuten – oder auch nichts. Vielleicht war es ein Geschenk, das Christinas Mutter im Kloster von der Äbtissin bekommen hatte. Oder eine reiche Witwe hatte ihren Besitz den Nonnen vermacht. Oder Katharina hatte es gefunden, als sie aus dem Hause ihrer Verwandten geflohen war.
»Hauptmann, wisst Ihr eigentlich, woher Christinas Mutter kam? Pater Ruprecht hat erzählt, dass sie eine Waise war und den Verwandten, wo sie untergebracht war, fortgelaufen ist. Anschließend habe sie den Müller Rüth getroffen und sei dann bei ihm geblieben. Aber sie konnte lesen und schreiben. Deshalb vermute ich, dass sie Nonne war und sich die Geschichte aus Scham wegen ihrer Untreue zum Herrn nur ausgedacht hat.«
Seidel schüttelte den Kopf. »Christina hat nie etwas über die Herkunft ihrer Mutter erzählt. Sie sprach immer nur davon, wie gut sich die beiden verstanden hatten, wie klug und gebildet und wie schön sie gewesen war. Oh ja. Das kann ich bestätigen. Katharina war wirklich wunderschön. Nur leider war sie ihrem Reginus absolut treu. Als junger Bursche habe ich selbst versucht, mit ihr anzubändeln. Sie war sehr nett und sehr höflich, aber uneinnehmbar wie eine stark befestigte Burg.«
Mit einem verträumten Lächeln gab er sich seinen Erinnerungen hin. Doch dann fragte er Nikolaus: »Und was habt Ihr nun vor, Meister Krebs?«
Der junge Gelehrte atmete zweimal tief durch, bevor er antwortete. Seine Stimme hatte jede Zuversicht verloren. »Ich hatte gehofft, dass mir noch etwas Gescheites einfällt. Aber im Moment scheint mir alles völlig aussichtslos zu sein. Ich glaube, ich habe die Probleme für Christina nur noch schlimmer gemacht. Wenn ich in dieser Nacht nicht noch einen Geistesblitz bekomme, werde ich vor Sonnenaufgang verschwinden.«
»Keine Idee mehr?«
Nikolaus zuckte mit den Schultern. »Höchstens eine kleine. Hans sagte, dass Wolfgang am Abend seines Todes mit einem Mädchen verabredet war. Vielleicht hat sie ihn in eine Falle gelockt. Es wäre interessant zu wissen, ob Wilhelm und Hans an ihrem Todestag auch eine Verabredung hatten.«
»Na also!«, erklang es aufmunternd. »Damit kann man doch was anfangen! Ich werde mich mal umhören. Vielleicht erfahre ich etwas. Falls ich bis morgen vor Sonnenaufgang nichts erfahren habe und Euch nicht Bescheid gebe, solltet Ihr Euch auf jeden Fall aus dem Staub machen. Ich werde versuchen, die Reiter so lange wie möglich aufzuhalten, damit Ihr einen genügenden Vorsprung bekommt und im Trierer Gebiet untertauchen könnt.«
»Danke.«
»Keine Ursache.«
Nun erhoben sich die beiden, gingen schweigend aufeinander zu und gaben sich die Hand, als wären sie
Weitere Kostenlose Bücher