Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
die Sachen zeigen, wenn ich schuldig wäre? Als Mörder hätte ich den Umhang, den Ring und das Kleid schon längst verschwinden lassen, um mich nicht selbst zu belasten. Warum sollte ich so dumm sein und deren Entdeckung riskieren?«
Seidel sah ihn durchdringend an. »Vielleicht weil Ihr im Gegenteil so gerissen seid?«
Der junge Gelehrte schüttelte verzweifelt seinen Kopf. Es war vorbei. Eine übermächtige Verzweiflung und Enttäuschung erfüllten ihn. »Ich weiß, dass Ihr mir nicht glauben könnt. Alles spricht gegen mich. Ihr könnt mich nun verhaften. Ich werde mich auch nicht wehren.«
Doch Seidel rührte sich nicht. Er stand stumm im Raum, das Schwert zum Angriff bereit und starrte vor sich hin. In seinem verkniffenen Gesicht ließ sich nicht erkennen, was er gerade dachte oder was als Nächstes folgen würde. Er hatte die Stirn in Falten gelegt und die Augenbrauen finster zusammengezogen.
Nach einer endlos erscheinenden Zeitspanne fragte er unvermittelt: »Was habt Ihr mit Christina Rüth zu tun? Seid Ihr mit ihr verbündet?«
»Wie bitte?« Nikolaus fiel aus allen Wolken. Er musste sich verhört haben. »Was soll ich?«
Der Hauptmann klang gereizt. Betont langsam, so als würde er mit einem kleinen Kind sprechen, wiederholte er die Frage: »Steckt Ihr mit Christina unter einer Decke?«
»Ich? Ich habe doch schon erklärt, dass ich ihr nur geholfen habe, als sie überfallen wurde. Und als ich mir sicher war, dass sie unschuldig war, habe ich von mir aus beschlossen, den Mörder zu suchen. Sie hat mich nicht darum gebeten.«
»Ihr wurdet beobachtet, wie Ihr sie geküsst habt.«
»Ich?« Nikolaus riss die Augen ungläubig auf. Das war absurd. Selbstverständlich hätte er sich nicht gewehrt, wenn Christina ihn mit einem Kuss für seine Hilfe gedankt hätte – wer hätte sich nicht gern von dem wundervollen Mädchen herzen lassen? Doch dergleichen war niemals geschehen.
Deshalb fragte er: »Wann soll das denn gewesen sein?«
Seidel wurde ungeduldig. »Fragt nicht so dumm! Im Kerker natürlich! Als Ihr sie besucht habt! Ich hab Euch doch zusammen gesehen!«
»Das stimmt nicht! Ich habe Christina noch nie geküsst! Nicht einmal umarmt!«
»Und warum soll ich Euch glauben?«
»Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist. Ich habe ein Leben als Geistlicher vor mir. Ich kann da keine Frau gebrauchen.«
Der Hauptmann verzog sein Gesicht zu einem hämischen Grinsen. »Das hat bisher weder Pfaffen noch Bischöfe gestört.«
Nikolaus wurde ungehalten. »Da war nichts! Ich habe Christina nicht geküsst! Und ich habe auch niemanden umgebracht, um sie zu beschützen. Fragt sie doch selbst, wenn Ihr mir nicht glaubt!«
Die beiden Männer standen sich eine schier endlose Zeit gegenüber und blickten einander angespannt an. Jeder wartete auf eine Reaktion des anderen – doch nichts passierte. Unvermittelt ließ der Soldat sein Schwert sinken. Dann steckte er es wieder in die Scheide zurück und zog sich den Stuhl herüber, auf dem Nikolaus eben noch gesessen hatte. Mit einem Stöhnen ließ er sich darauf nieder und stützte seinen Kopf in die Hände.
Nikolaus hatte diesen Moment sofort ausgenutzt und war um den Tisch herumgegangen, um einen schützenden Abstand zwischen sich und den Hauptmann zu bringen. Er hatte keine Ahnung, warum der Hauptmann seine Waffe wieder eingesteckt hatte. Was bedeutete dieser plötzliche Umschwung? Glaubte Seidel ihm jetzt doch? Auch Nikolaus nahm sich nun einen Stuhl und setzte sich vorsichtig hin, immer bereit, sofort die Flucht anzutreten. Jedoch machte ihn nun ein Umstand stutzig.
»Hauptmann, seid Ihr allein? Oder warten Eure Soldaten draußen?«
Seidel richtete sich wieder auf. Sein Gesichtsausdruck war noch immer alles andere als freundlich. Er ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ich bin allein gekommen.«
»Warum?«
Endlich zeigte sich eine menschliche Regung. Der Hauptmann zog die Augenbrauen leicht hoch und deutete ein kleines – äußerst gequältes – Lächeln an. »Ich kann es Euch nicht sagen.«
»Oder dürft Ihr es mir nicht sagen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht warum. Ich sah hier unten Licht. Ich wollte mit Reginus sprechen.« Er ließ sich wieder Zeit, bis er genug Mut hatte weiterzusprechen. »Bei dem zweiten Toten sah es für Christina wieder besser aus. Allen war klar, dass jemand anders der Mörder war. Aber nun?« Er zuckte mit den Schultern, ohne eine Antwort zu erwarten, die zu offensichtlich war. »Nun gilt sie als Eure
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