Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
schrecklich aussehenden Mann hatten sie noch nie gesehen. Seine Schultern hingen ungleichmäßig herab, das Gesicht war vernarbt und sah aus, als sei es aus Bruchstücken zusammengesetzt. Er hatte einen Buckel und einen schrägstehenden Fuß.
Als er zu den Drachen hochblickte, funkelten seine Augen fröhlich. Mit kratziger Stimme sagte er: »Ihr seid ja richtig schöne Exemplare. Nicht älter als sechs Monde. Ich möchte, dass ihr mir zuhört.«
Dann schwieg er und in den Köpfen der Drachen explodierten Gedankenfetzen. Der Verwachsene stieß derart grelle und exakte Gedankenstürme los, dass Rordril halb bewusstlos vom Schrank fiel. Sandista flatterte hilflos, flog eine Runde, stieß gegen die Holzwand und taumelte zu Boden. Cybilene kreischte hell und puffte Rauchwölkchen. Ihre Schuppen stellten sich auf und sie versuchte, den Dunkelelf und den Verwachsenen anzugreifen. Sie flatterte auf der Stelle, sackte durch und klatschte wie ein Stein nach unten.
Der Verwachsene sah stolz hoch. »So fängt man Drachen, mein Lord.«
»Sehr gut gemacht, Wolschan. So hast du ihnen gleich gezeigt, was geschieht, wenn sie sich deinem Willen nicht beugen. Mache weiter so, und ich werde dich belohnen. Erziehe sie nach meinem Willen und du wirst an meiner Seite sein.«
»Ich danke Euch, Lord Murgon, Herr von Unterwelt.«
Der Dunkelelf winkte ab. »Spar dir deine Kriecherei für jene Momente, in denen sie dir möglicherweise das Leben retten.«
Wolschan grunzte und zuckte zusammen, als habe er einen Schlag erhalten. Dann löste er Ketten von seinem Gürtel und fesselte die Drachen, die sich nur schwach wehrten. Dabei murmelte er: »Meine Kinder, meine Kinder, meine Kinder ...«
Man steckte sie in Käfige, die an den Pferden befestigt wurden. Von diesem Moment an herrschte Leere in den Köpfen der Drachen. Sie wussten nicht, wie sie nach Unterwelt gelangten und eine ganze Weile auch nicht, warum.
Was sie nie vergessen konnten, war die Erziehung durch den verwachsenen Wolschan.
Er drillte sie. Schrie sie tonlos an. Als sie in das Alter kamen, in dem sie jagen mussten, Wildschweine, junge Crocker und anderes Getier, trieb er sie durch die Höhlen und Gewölbe von Unterwelt. Er hetzte sie auf Kreaturen, die weder Mensch noch Tier waren. Er befahl ihnen, den Opfern die Schädel abzubeißen, befahl ihnen, sie zu verbrennen, befahl ihnen, sie zu zerfetzen.
Sie taten es mit Ekel.
Sie taten es mit Lust.
Wille und Instinkt waren zweierlei und stets gewann der Instinkt, der wie ein wildes Tier war, dass, einmal freigelassen, wütete wie ein Todesdämon.
Wolschan lehrte sie, was es über Drachen zu wissen gab. Da war die Rede von alten Drachen, die Goldschätze bewachten, mit denen sie zwar nichts anfangen konnten, die sie aber ihrer Farbe wegen liebten.
Es gab Drachen, welche die Generationen überlebten und durch die Zeit reisten, und es gab Drachen, die sich dunklen Mächten anschlossen und mit ihnen Kriege führten.
Wolschan erzählte von Drachen, deren Seele größer war als alles andere, die sich reiten ließen und die Einheiten der Drachenreiter ins Leben riefen. Sie waren unterwegs, um den Frieden zwischen Elfen und Drachen zu gewährleisten.
Er erzählte von gutmütigen Drachen, von kämpferischen Drachen, von weisen Drachen und von verfolgten Drachen, die man tötete, weil man ihre Knochen als Substanz der Magie ansah oder sich heilende Wirkungen versprach. Viele von ihnen waren gleichzeitig schrecklich und schön, andere edel und furchterregend.
Allen sei eines gemein: Ein Drache schuldet niemandem Treue!
Eine Lüge!
Das, sagte Wolschan, sei die größte Lüge, die über Drachen verbreitet wurde. Oh doch, sie schuldeten Treue, nämlich ihrem Herrn. Und ihr Herr sei Lord Murgon, Herr über Unterwelt.
Er versprach ihnen, dass auch sie ein Teil der Sagen sein würden, berühmter sogar als Fafnir. Man würde über Rordril, Sandista und Cybilene reden wie über Götter, denn sie waren jene Drachen, die den Weg vorbereiteten - für ihn!
Wer er sei, wollten sie wissen?
Sharkan, der Schwarze Vierköpfige sei es. Sharkan, der mächtigste Drache, den die Zeit je erlebt hatte. Man wisse, dass sein Ei, welches seit Jahrhunderten wartete, in kurzer Zeit bereit sei, ein Ei, aus dem er schlüpfen würde, um an Murgons Seite das Heer von Unterwelt anzuführen.
Die drei roten Drachen schüttelte es, so grausig klangen Wolschans Worte. Die Geschichten über Weisheit und Edelmut hatten sie beeindruckt, doch an der Seite eines
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