Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Spannung, die Ängste verschwanden, ihr Zorn, ihre Einsamkeit; sie lachte noch lauter. Sie hätte auch nicht aufhören können, wenn sie es versucht hätte, also versuchte sie es erst gar nicht.
    »Dummes Frauenzimmer!« murmelte er gepreßt, und sein Gesicht lief rot an. »Gott bewahre mich vor Schwachsinnigen!« Er wandte sich ab, weil er selbst jeden Augenblick loszuprusten drohte.
    Schließlich bekam sie sich wieder in den Griff. Tränen liefen ihr übers Gesicht, und sie fischte nach einem Taschentuch, um sich zu schneuzen.
    »Wenn Sie sich wieder gefaßt haben«, sagte er, weiterhin um eine eisige Miene bemüht, »dann sagen Sie mir vielleicht, ob Sie bei dieser oder einer Ihrer anderen Operationen etwas Nützliches erfahren haben.«
    »Selbstverständlich«, sagte sie fröhlich. »Deshalb bin ich ja hier.« Sie hatte sich bereits, ohne groß darüber nachdenken zu müssen, dazu entschlossen, ihm nichts über Callandras Gefühle für Kristian Beck zu sagen. Das ging nur sie selbst etwas an. Es ihm gegenüber zu erwähnen, wäre einem Verrat gleichgekommen. »Der Korridor ist um diese Tageszeit so gut wie verlassen, und die wenigen, die vorbeikommen, haben es entweder eilig oder sind zu müde, um etwas mitzubekommen oder beides. Mich haben sie jedenfalls nicht bemerkt, und ich glaube auch nicht, daß sie jemand anderen bemerkt hätten.«
    »Nicht einmal einen Mann?« drängte er sie, seine Aufmerksamkeit wieder ganz bei ihrem Fall. »In Hose und Jacke, anstatt der Kleidung eines Operationsassistenten?«
    »Es ist sehr düster dort. Also ich glaube nicht«, sagte sie nachdenklich. »Man brauchte sich nur umzudrehen und so zu tun, als stecke man etwas in den Schacht. Um diese Zeit haben die Schwestern eine Nachtschicht hinter sich und sind einfach zu erschöpft, um sich um anderer Leute Angelegenheiten zu kümmern. Ihre eigenen genügen ihnen vollauf. Sie denken nur an eines: sich irgendwo hinzulegen und einzuschlafen. Das ist alles, was zählt.«
    Er sah sie genauer an. »Sie sehen müde aus«, sagte er, nachdem er einen Augenblick überlegt hatte. »Um ehrlich zu sein, Sie sehen gräßlich aus.«
    »Sie nicht«, erwiderte sie rasch. »Sie sehen ausgesprochen gut aus. Aber dann habe ich höchstwahrscheinlich auch etwas härter gearbeitet als Sie!«
    Es überraschte sie, als er ihr zustimmte. »Ich weiß.« Er lächelte plötzlich. »Lassen Sie uns hoffen, daß die Kranken es Ihnen angemessen danken. Ich bin sicher, Callandra wird es tun. Dann können Sie sich ein neues Kleid kaufen. Sie haben wirklich eines nötig. Haben Sie sonst noch etwas erfahren?«
    Die Bemerkung über das Kleid schmerzte. Sie war sich seiner Eleganz sehr wohl bewußt. Und auch wenn sie es ihm nie gesagt hätte – er war auch so schon eitel genug –, sie bewunderte das. Und sie wußte, daß sie sehr selten elegant gekleidet war, und nie wirklich weiblich. Es war eine Kunst, die sie nicht beherrschte, und so versuchte sie es erst gar nicht mehr. Zu gern wäre sie so hübsch wie Imogen gewesen, so anmutig und romantisch!
    Er starrte sie an, während er auf eine Antwort wartete.
    »Sir Herbert wird wahrscheinlich medizinischer Berater eines Mitglieds des königlichen Haushalts«, sagte sie hastig. »Aber ich weiß nicht für wen.«
    »Hört sich nicht weiter wichtig an«, meinte er und ließ das Thema achselzuckend fallen. »Aber möglich wäre es wohl, nehme ich an. Was sonst noch?«
    »Sir John Robertson, einer der Herren aus dem Verwaltungsrat, ist in finanziellen Schwierigkeiten«, berichtete sie in nüchternem Ton. »Der Kaplan trinkt – nicht wüst, aber zuweilen mehr als seinem Urteilsvermögen guttut, von seinem Gleichgewicht ganz zu schweigen. Und der Kämmerer hat zu neugierige Augen und Hände, was die hübscheren Schwestern anbelangt. Aber er bevorzugt Blonde mit üppigem Busen.«
    Monk sah sie an, verkniff sich jedoch jeden Kommentar.
    »Dann dürfte er Prudence ja kaum belästigt haben«, bemerkte er.
    Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, seine Bemerkung war persönlich gemeint und schloß sie mit ein. »Und wenn, wäre sie meiner Ansicht nach sehr gut mit ihm fertig geworden«, antwortete sie heftig. »Ich jedenfalls schon!«
    Er grinste breit, dem Lachen nahe, sagte jedoch nichts.
    »Und, haben Sie etwas herausgefunden?« erkundigte sie sich angriffslustig. »Oder haben Sie einfach darauf gewartet, was ich herausfinden würde?«
    »Natürlich habe ich einiges entdeckt. Bin ich Ihnen vielleicht Rechenschaft schuldig?«

Weitere Kostenlose Bücher