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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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billig.
    Doch wir hielten nicht an, trotz der Rufe und Schreie und dem Klirren von Schwertern und Säbeln. Die Geräusche des Kampfes wurden sogar leiser und die Einschläge von Pfeilen weniger häufig. Schließlich hörte das ganz auf, und die Stimmen verklangen. Wir wurden etwas langsamer und rasten nicht mehr mit entsetzlicher Geschwindigkeit durch die Nacht, nur noch mit erschreckender.
    Ich wagte es, erneut aus dem Fenster zu sehen. Die Konturen von Gebäuden zeigten sich in der Dunkelheit. Für Läden waren sie zu hoch – die geisterhaft weißen Fassaden ließen mich vermuten, dass wir durchs ärmere Wohnviertel südlich des Marktes kamen. Ich biss die Zähne zusammen, beugte mich über Panchettos Leiche hinweg und zog die Gardine des Rückfensters beiseite.
    Ich war so erleichtert, Salzleck hinter der Kutsche laufen zu sehen, dass ich fast in Tränen ausgebrochen wäre. Seine neue Kleidung hing in Fetzen an den Pfeilen, die in ihm steckten. Er hinkte, und der linke Arm hing schlaff an seiner Seite, aber er lebte. Zwei Wächter auf Pferden flankierten ihn, einer auf jeder Seite. Beide waren verwundet und hielten sich nur mit Mühe in den Sätteln. Von Verfolgern war weit und breit nichts zu sehen.
    Der Umstand, dass wir überlebt hatten, änderte nichts an meinen Schuldgefühlen. Ich fühlte den gebrochenen Blick des Prinzen auf mir und sah die Verwunderung in seinem erstarrten Gesicht. Plötzlich fühlte ich mich ihm verpflichtet. Ich schuldete ihm etwas, auch Estrada, Salzleck und sogar dem Grobian Alvantes. Moaradrid war mir kreuz und quer durchs Castoval gefolgt und hatte andere Menschen für uns leiden lassen. Ich musste versuchen, ihn aufzuhalten, wenn es dazu nicht bereits zu spät war.
    Die mehrstöckigen Gebäude des Armenviertels wichen den Villen der Reichen von Altapasaeda. Unsere Kutsche wurde noch etwas langsamer, sodass sie sich nur noch ein bisschen zur Seite neigte, als wir ins Tempelviertel einbogen. Voraus ragte der Palast auf. Der schwache Mondschein verwandelte die hellen Türme und Minarette in graue Schemen. Wo tagsüber hübsche Buntglasfenster im Licht der Sonne glänzten, waren jetzt nur dunkle Öffnungen zu sehen. Der ganze Palast wirkte traurig, als beklagte er bereits den Tod seines Prinzen.
    Wir rasten über den Platz und hielten aufs breite Tor zu. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf die beiden Gardisten, die dort Wache hielten, dieselben Männer, denen ich auf dem Weg hinaus begegnet war. Natürlich erkannten sie die Kutsche des Prinzen, die inzwischen einen recht beeindruckenden Anblick bieten musste mit all den Pfeilen, die in ihr steckten, von ihren blutigen Begleitern ganz zu schweigen. Gerüchte verbreiteten sich schnell in Altapasaeda. Noch vor Morgengrauen würden die Bürger vom Tod des Prinzen wissen.
    Wir wandten uns nach links – Salzleck und ich waren zuvor aus der anderen Richtung gekommen –, brachten die südöstliche Ecke des Palastes hinter uns und erreichten einen kleineren Platz. Dort hielt die Kutsche an und stöhnte dabei wie ein röchelnder Sterbender, der ein letztes Mal nach Luft schnappte.
    Ich wollte hinaus an die frische Luft, weg vom Gestank des Todes. Allerdings bestand die Möglichkeit, dass Alvantes mich nur aus einem schrägen Gerechtigkeitsempfinden heraus gerettet hatte – wenn er mich Moaradrid überlassen hätte, wäre er nicht in der Lage gewesen, mich auf angemessene Weise zu hängen. Wenn ich blieb, wo ich war, zögerte ich diese Möglichkeit ein wenig hinaus.
    Die Entscheidung wurde mir abgenommen. Die Tür flog auf, und Alvantes knurrte: »Aussteigen.«
    Ich war mir ziemlich sicher, dass er mich meinte. Also stieg ich aus und wich beiseite. Zwei Bedienstete trugen bereits den Kutscher auf einer Bahre fort – er hatte die tollkühne Fahrt mit einem Pfeil im Bauch hinter sich gebracht. Zwei kräftig gebaute Männer holten die Leiche aus der Kutsche, legten sie auf eine zweite Trage und bedeckten sie mit einem schwarzen Tuch, unter dem der Leichnam einen seltsamen Buckel bildete. Selbst im Tod gelang es Panchetto, lächerlich zu wirken.
    Andere Bedienstete halfen Alvantes’ Soldaten in den Palast. Von dem ursprünglichen Dutzend waren nur die beiden übrig geblieben, die ich zuvor durchs Rückfenster gesehen hatte. Einer von ihnen drückte die Hand auf eine grässliche Schnittwunde in der Brust; er konnte von Glück sagen, wenn er die Nacht überlebte. Salzleck stand ein wenig abseits, und wie üblich schien er seine Wunden

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