Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
seiner kopflosen Leiche zu reisen. Dann riss ich mich zusammen und begriff, dass die zusammengekauerte Gestalt gar keine Ähnlichkeit mit dem Prinzen aufwies. Sie war schlank, mittelgroß und, der wichtigste Punkt, eine Frau.
    »Der Hauptmann fordert dich auf, alles zu unterlassen, was Lady Estrada stören könnte«, sagte der Soldat hinter mir. »Sie ist noch immer benommen von dem Gift, das du ihr verabreicht hast. Der Hauptmann sagt: Wenn du ihr Ärger bereitest, musst du von ihm mit viel mehr Ärger rechnen.«
    »Ich werde versuchen, das im Kopf zu behalten.« Ich stieg ein und nahm Estrada gegenüber Platz. Als der Wächter die Tür geschlossen hatte, fügte ich hinzu: »Und ich habe sie nicht vergiftet, nur betäubt.«
    Vielleicht hatte ich es ein wenig übertrieben. Estrada schnarchte noch immer laut genug, um Tote zu wecken. Ich schaute aus den Fenstern, die im Gegensatz zur Kutsche des Prinzen keine Scheiben aufwiesen. Es waren Öffnungen ohne Glas, ausgestattet nur mit einfachen Damastvorhängen, auf beiden Seiten halb zugezogen. Links stieg die Mehrheit der beiden Gruppen von Wächtern – oder Söldnern, was auch immer sie waren – auf die Pferde. Rechts führten zwei der Mäntel tragenden Wächter Salzleck zum Karren. Der Riese kletterte darauf, es folgte ein gedämpfter Wortwechsel, und Salzleck legte sich ins Heu. Die Männer verbrachten eine Minute damit, es über ihm zu verteilen, bis er ganz unter dem Heu verschwunden war.
    Erneut hatte ich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt gewählt, mich mit den Vertretern von Recht und Gesetz zu verbünden. Ganz offensichtlich wurden sie von einem Verrückten angeführt.
    Die Kutsche rollte los, in die Richtung, aus der wir zuvor gekommen waren. Jene Männer, die ich für zivile Wächter hielt, beziehungsweise für Bedienstete reicher Familien, flankierten uns. Als wir das Palastgelände verließen und die Straße erreichten, sah ich den Karren hinter uns, ebenfalls von Reitern begleitet. Sie wahrten einen gewissen Abstand.
    Solche Tricks waren eigentlich nicht Alvantes’ Stil. Fürchtete er eine Konfrontation mit Moaradrid und seinen Halunken?
    Erst als wir durchs südwestliche Tor kamen, verstand ich den Sinn von Alvantes’ Vorsichtsmaßnahmen. Eigentlich hätte ich es mir denken können. Es war nicht der Kriegsherr, den Alvantes fürchtete, sondern das vor Altapasaeda lagernde Heer.
    Ich spähte aus den Fenstern und versuchte, die Größe der Streitmacht abzuschätzen. Sie schien viel größer zu sein als jene vor Muena Palaiya, und vermutlich war dies nur die Hälfte – bestimmt blockierten Moaradrids Krieger auch die nördlichen Tore.
    Obwohl … Es wäre vielleicht übertrieben gewesen, von »Blockade« zu sprechen, denn so etwas kam einer direkten Kriegserklärung gleich. Und nach einer solchen Kriegserklärung hätte sich Moaradrid wohl kaum mit ermüdender Diplomatie aufgehalten. Es gab drei Lager, eins für jedes Tor, aber weit genug von der Straße entfernt, um nicht den Eindruck direkter Feindseligkeit zu erwecken. Dennoch bemerkte ich Wachtposten, obwohl sie versuchten, nicht wie solche auszusehen. Bestimmt hielten sie nach Estrada, Salzleck und mir Ausschau. Und vielleicht auch nach Panchetto, wenn sie noch nichts von seinem Tod wussten. Sie sollten verhindern, dass wir nach Pasaeda entkamen und den König benachrichtigten.
    Eine Gruppe von Bauern, unterwegs zu einem der Gehöfte im Umland der Stadt, oder eine reiche, aber sehr vorsichtige Familie bei einem Tagesausflug … Solchen Gruppen schenkten die Wachtposten vielleicht keine Beachtung. Sie mochten argwöhnisch werden und Moaradrid Meldung machen, aber wahrscheinlich würden sie nicht versuchen, uns aufzuhalten.
    »Sieht aus, als könnten wir es schaffen«, sagte ich leise.
    »Idiot.« Das Wort war undeutlich, aber ich konnte es verstehen. Ich drehte den Kopf und stellte fest, dass Estrada nicht mehr lag, sondern sich halb aufgerichtet hatte. Ihre Augen waren offen und starrten mich an.
    »Du bist wach.«
    »Was ich nicht dir verdanke.« Die Stimme klang nun bereits deutlicher, und es lag Schärfe darin.
    »Es tut mir leid, Estrada. Im Ernst. Es war falsch von mir, dich zu betäuben. Es war auch falsch, Panchettos Gäste zu bestehlen und Salzleck in diese ganze Sache zu verwickeln …«
    »Erspar es mir, Damasco.«
    »Was?«
    »Erspar es mir. Und sprich leise.«
    Das hatte ich nicht erwartet. Ich zeigte Reue, oder? Ich war sogar aufrichtig. Sollten die guten Menschen so etwas nicht

Weitere Kostenlose Bücher