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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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konnte es nicht lange weitergehen.
    Nach kurzer Zeit war die uns zugewandte Seite des Karrens von Rissen durchzogen, die mit jeder neuen Kollision breiter wurden. Doch erstaunlicherweise hielt der Rahmen stand. Estrada und ich klammerten uns fest, so gut es ging, bissen die Zähne zusammen und hofften, dass dies bald vorüber war. Ich konzentrierte mich ganz darauf, nicht von der Sitzbank geschleudert zu werden, wodurch ich meine vielen blauen Flecken kaum mehr spürte und das unablässige Stampfen von Hufen ebenso wenig hörte wie das Prasseln des Regens. Ich bewegte mich nur, wenn ein Rad von der Straße abkam und die ganze Kutsche zu kippen drohte, oder wenn wir ins Rutschen gerieten und es unvermeidlich schien, dass wir gegen den nächsten Baum oder Felsen prallten.
    Zwei Dinge holten mich aus meiner stumpfsinnigen Benommenheit. Zuerst kam die Erkenntnis, dass die Schatten zu beiden Seiten der Kutsche sehr kurz geworden waren, was bedeutete, dass die Sonne direkt über uns stand. Hatte Estrada nicht von Mittag gesprochen? Und dann kam es zu einem Ruck, und wir legten an Tempo zu, obwohl ich das für unmöglich gehalten hätte.
    Welchen Nutzen das haben sollte, erschloss sich mir nicht. Wenn unsere Pferde noch kräftig genug waren, so musste das auch bei denen unserer Verfolger der Fall sein. Ich rechnete damit, dass sie gleich zu uns aufschlossen. Ich sah zu Estrada und bemerkte, dass sie aus dem linken Fenster blickte. Hoffnung glänzte in ihren Augen. Ich gab mir alle Mühe, ihrem Blick zu folgen, und merkte, dass wir uns Felsformationen näherten, die zu beiden Seiten an die Straße heranrückten. Jenseits davon erstreckte sich eine Schlucht, und dort geriet die Straße abrupt außer Sicht. Rechts und links erhoben sich Böschungen, die mit Büschen und Sträuchern bewachsen waren – der perfekte Ort für einen Hinterhalt.
    Dieser Gedanke ging mir gerade durch den Kopf, als wir langsamer wurden, und zwar so plötzlich, dass ich gegen die Kutschenwand prallte. Estrada verlor den Halt und rutschte zwischen die Sitzbänke. Unsere Pferde wieherten protestierend.
    Der Kutscher brachte das Gefährt zum Stehen, und zwar quer zur Straße. In der Richtung, aus der wir gekommen waren, sah ich deutlich die dunkle Masse von Moaradrids Soldaten – sie würden uns in wenigen Sekunden erreichen.
    »Das wär’s?«
    »Hilf mir, Damasco.«
    Estrada zerrte an der Tür auf der anderen Seite. Sie war arg mitgenommen von den Zusammenstößen mit dem Karren. Verschluss und Angeln waren verbogen, und dadurch ließ sich die Tür nicht mehr öffnen. Ich fügte meine Kraft der Estradas hinzu, aber sosehr die Tür auch knackte und klapperte, sie blieb geschlossen. Ein Blick zurück teilte mir mit, dass die Reiter nur noch einen Steinwurf entfernt waren. Sie wurden bereits langsamer und zogen die Waffen.
    Ich rollte mich auf den Rücken und trat mit beiden Beinen. Die Füße sausten an Estradas Kopf vorbei und trafen die Tür, die es noch immer stur ablehnte, sich zu öffnen. Ich versuchte es erneut, und noch einmal, hörte dabei das Geräusch von nahen Hufen, die über weichen Boden rutschten.
    Ich nahm meine ganze Kraft zusammen und trat noch einmal zu.
    Der Verschluss gab nach, und endlich sprang die Tür auf.
    Wir krabbelten hinaus, Estrada zuerst – sie fiel auf die Straße. Als ich zurücksah, begriff ich, dass die Kutscher aus Kutsche und Karren eine Barriere auf der Straße geschaffen hatten. Sie würde unsere Verfolger nicht dauerhaft aufhalten, sie aber zwingen, von ihren Rössern abzusteigen oder zumindest langsamer zu reiten. Aber warum waren unsere Pferde noch angespannt? Angesichts des bevorstehenden Kampfes hielt ich das für unnötig grausam. Ich blickte mich nach den Kutschern um.
    » O nein.«
    Die Worte rutschten mir heraus. Ich konnte sie nicht zurückhalten.
    Weiter vorn saßen etwa zweihundert Männer im Staub. Einige von ihnen erkannte ich wieder – ich hatte sie im Heereslager vor Muena Palaiya gesehen. Ihre Hände und Füße waren gefesselt. Moaradrids Männer bildeten einen wachsamen Kreis um sie.
    Der Kriegsherr wartete ganz in der Nähe. Neben ihm stand ein alter Bekannter und starrte uns mit seinem einen Auge an: Castilio Mounteban.

21
    W arum leben wir noch?«
    Wie üblich war ich es, der aussprach, was allen durch den Kopf ging. Doch als Lohn bekam ich finstere Blicke, von Estrada zu meiner Linken und Alvantes zu meiner Rechten.
    Ich wusste nicht, wie lange wir schon dasaßen. Vermutlich waren es

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