Im Schatten der Giganten: Roman
alle getötet hätte. Ich habe versucht, es dir klarzumachen, Marina, doch du wolltest nicht auf mich hören. Jetzt musst du mir zuhören. Dieser sogenannte Krieg ist von Anfang an eine Farce gewesen. Moaradrid ist nicht der Mann, für den du ihn hältst.«
Alvantes’ Stimme erklang hinter mir. »Er ist ein Tyrann und Mörder.«
»Vielleicht. Aber er will nur eine Sache, und das ist die Krone. Er kam nur hierher, um die Riesen seinem Heer einzugliedern und dann gegen Pasaeda und den König zu ziehen. Wir waren es, die an einen Angriff glaubten. Wir waren es, die ihm eine Konfrontation aufzwangen. Und selbst als es zum Konflikt mit uns kam … Er hätte sich ohne weiteres Blutvergießen zurückgezogen. Wenn nicht ein armseliger Dieb gewesen wäre, der schon vor Jahren am Galgen hätte enden sollen.«
Eigentlich wollte ich den Mund halten, aber die letzten Worte verblüfften mich. »Ach, dies ist alles meine Schuld?«
Mounteban achtete nicht auf mich. »Dies kann hier und heute enden. Euch ist nichts passiert; euer Hab und Gut ist unangetastet geblieben. Ihr könnt alle heimkehren, Marina, du kannst weiterhin Bürgermeister sein. Und Alvantes, Ihr könnt Hauptmann der Wache bleiben. Moaradrid hat weder die Absicht noch genug Soldaten, das Castoval zu besetzen. Er wird mit den Riesen aufbrechen und uns nicht weiter behelligen. Er bittet uns nur, den Kampf gegen ihn einzustellen.«
Estrada wandte sich ihm wieder zu. So viel Zorn hätte ich in ihren braunen Augen nicht für möglich gehalten. »Was hat er dir versprochen?«, fauchte sie.
Für einen Moment hatte es den Anschein, als wollte Mounteban den Vorwurf zurückweisen. Dann sagte er: »Ich werde Bürgermeister von Altapasaeda sein.«
Estrada lachte fast schrill. »Oh, natürlich.«
Mountebans Gesichtsausdruck schwankte zwischen Scham und Ärger. Er sank vor Estrada auf die Knie und sprach so leise, dass nur wir ihn hören konnten. »Hör mir zu! Er hat seine Truppen zu weit verteilt. Moaradrid kann das Castoval nicht halten, und er weiß es. Wenn er jetzt nicht gegen den König zieht, zieht der König gegen ihn. Ich dachte schon, er würde mich umbringen, bevor er die Geduld verlor und stattdessen den Esel namens Panchetto tötete, aber seitdem ist er bereit, mich anzuhören.
Es gibt noch mehr … Zwar hat er mir gegenüber nicht darauf hingewiesen, aber ich glaube, er hat kein Geld mehr. Vermutlich hat er seinen Männern keinen Sold mehr gezahlt, seit sie in den Süden gekommen sind, und er gibt ihnen auch kaum zu essen. Jeder Narr kann sehen, dass sie unruhig geworden sind. Er ist von der Krone regelrecht besessen und muss jeden Tag beobachten, wie sie in weitere Ferne rückt. Am Castoval ist er überhaupt nicht interessiert; er möchte es nur hinter sich lassen.«
Mounteban war ganz auf seine Worte konzentriert und merkte erst zum Schluss, dass ihm Estrada keine Beachtung mehr schenkte. Ihr Blick ging an ihm vorbei, richtete sich auf etwas weit hinter ihm. Bevor er sich umdrehen konnte, sah sie ihn wieder an, beugte sich vor und brachte ihren Mund nahe an sein Ohr heran. Ich beugte mich ebenfalls vor und lauschte Estradas Flüstern.
»Ich hoffe, sie töten dich als Ersten, Castilio«, hauchte sie.
Ihr Hass hatte etwas Hypnotisches, und ich glaubte zu wissen, wen Estrada mit »sie« meinte. Offenbar wusste Mounteban es ebenfalls, denn er starrte nur entsetzt in das Gesicht, das seinem so nahe war. Er wandte den Blick erst davon ab, als die Geräusche hinter uns immer lauter wurden. Sein Mund klappte auf, aber es kamen keine Worte heraus. Dann sprang er auf die Beine und lief, überraschend schnell für einen Mann seiner Größe, zur östlichen Böschung.
Estrada sank zurück, als hätte all der Zorn sie erschöpft.
Überall um uns herum ertönten Rufe von Moaradrids Männern. Ihre Füße verwandelten die Straße in Morast, aber nicht zwei Soldaten strebten in die gleiche Richtung. Alle schienen es sehr eilig damit zu haben, sich von uns zu entfernen und die Öffnung der kleinen Schlucht zu erreichen. In der Nähe schrie jemand, und der Schrei brach plötzlich ab.
Ich erstarrte förmlich und wagte kaum zu hoffen.
So laut es auch geworden war, ich hörte das Zischen von Pfeilen inmitten der anderen Geräusche. Sie kamen von oben, und wenigstens dieses eine Mal schienen sie nicht uns zu gelten. Hufe donnerten, entfernten sich aber nicht, sondern kamen näher. Unter Moaradrids Männern breitete sich Panik aus, und die Vorstellung, von ihnen zu Tode
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