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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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meine Beobachtungen fort. Eine besonders interessante Unterhaltung war das nicht. Die hellen Punkte in der Mitte flackerten und tanzten, zu welchem Zweck auch immer. Am Kreis änderte sich überhaupt nichts. Ich gelangte zu dem Schluss, dass die Jagd zunächst einmal vorüber war. Entweder hatten die Verfolger den Rubin gefunden und gaben sich damit zufrieden, oder sie hatten beschlossen, im Dorf zu übernachten, darauf vertrauend, dass sie uns am nächsten Morgen einholen konnten. Ich sah nach vorn, seufzte erleichtert und fragte mich, ob wir uns ebenfalls einen Lagerplatz suchen sollten.
    Doch nach und nach fühlte ich mich von Unbehagen erfasst. Zuerst konnte ich es nicht erklären. Es war nichts zu hören, kein Getrampel von Hufen. Vielleicht hatte es etwas mit der Art der Nacht zu tun. Hinter uns schien der Himmel heller zu sein als vor uns, als ob die Sonne am falschen Horizont aufginge, und viel zu früh. Wir hatten eine Stelle erreicht, an der besonders große Felsen aufragten, die mir den Blick nach hinten versperrten, und deshalb konnte ich zunächst nicht feststellen, was es mit dem sonderbaren Licht auf sich hatte. Doch schließlich brachte uns eine weitere Biegung an den Rand einer Kante über dem steil nach unten führenden Hang, und dort ging mir im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf.
    Die Fackeln bildeten wieder eine Lichterkette, nicht weit hinter uns.
    Sie waren nicht das Einzige, was brannte.
    Das Dorf Reb Panza stand in Flammen.

5
    I ch wurde nicht zum ersten Mal verfolgt. Es gab zahlreiche aufgebrachte Ladeninhaber und wütende Wächter, vor denen ich geflohen war, von einem gelegentlichen Mob ganz zu schweigen. Doch jene Fluchten erschienen mir wie ein laues Lüftchen im Vergleich mit dem Orkan, dem ich mich in dieser Nacht ausgesetzt sah.
    Es war recht spät, als die ernste Phase der Jagd begann. Der Mond hatte fast seinen höchsten Stand erreicht. Zuerst fiel es schwer, den Schein der Fackeln von dem des Feuers in Reb Panza zu unterscheiden. Der Wind wehte aus Norden, und es dauerte nicht lange, bis eine große, stinkende Rauchwolke uns und die ganze Gegend einhüllte. Meine Augen brannten und tränten, wobei ich der Ehrlichkeit halber sagen muss: Für die Tränen war nicht nur der Rauch verantwortlich. Ich hatte ein sehr ungutes Gefühl, eine Mischung aus taubem Schrecken und nagender Fassungslosigkeit. Warum hatten jene Männer das Dorf zerstört? Es ergab keinen Sinn. Waren die Bewohner in ihren Hütten verbrannt, die Alten und die fröhlichen, freundlichen Kinder, der Patriarch mit seinem lächerlichen Schnurrbart?
    Eine andere Frage belastete mich noch mehr, und meine Gedanken kehrten immer wieder zu ihr zurück, obwohl ich sie zu meiden versuchte.
    War es meine Schuld?
    Unter mir stapften Salzlecks Füße über den staubigen Boden, und deutlich hörte ich, wie schwer er atmete. Ich wusste gar nicht mehr, wie lange er schon lief, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ihm durch den Kopf ging oder welche dringenden Bedürfnisse sein Körper haben mochte. Hinter uns beherrschte Feuer den Horizont. In der nebligen Dunkelheit konnte ich nur Flammen sehen, doch meine Phantasie war gern bereit, die Lücken zu füllen. Sie zeigte mir hundert Reiter, mit Pfeilen auf den Sehnen ihrer Bögen und grimmiger Entschlossenheit in den Gesichtern. Ich glaubte zu hören, wie der Anführer die Männer antrieb, wie er mit grotesken Strafen drohte und unglaubliche Belohnung dem Mann versprach, dessen Klinge als erste unser Blut trank. Ich sah meinen Tod näher kommen, unausweichlich.
    Der Wind frischte auf und trug den Rauch fort. Es stank noch immer nach verbranntem Gras, und zunächst blieb eine Art Dunst in der Luft, der allem etwas Unwirkliches gab. Dann begann es zu regnen, und der Regen schien die ganze Umgebung zu reinigen; Bäume und Felsen glänzten. Die hinter uns tanzenden Fackeln waren wie leuchtende Stecknadelköpfe auf einem Kissen aus schwarzem Samt.
    Der Anblick brachte mich ins Hier und Heute zurück. Unsere Verfolger mussten verrückt sein, sagte ich mir. Wahnsinnige, die das Dorf allein aus Freude an Zerstörung in Brand gesteckt hatten. Vermutlich brannte Moaradrids Heer jeden Tag irgendwelche Dörfer nieder. Es war am besten, wenn ich floh und mit der Kunde von dieser Gräueltat entkam.
    Nachdem das geklärt war, versuchte ich mich zu orientieren. Ich wusste nicht genau, wie viel Zeit verstrichen war, seit wir das Dorf verlassen hatten. Es konnte eine Stunde sein, oder auch

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