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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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wenigen Silben viel zum Ausdruck zu bringen.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte ich. »Sie werden uns nicht einholen. Ich habe einen Plan.«
    Salzleck wirkte nicht sehr überzeugt, nahm aber die Abzweigung und lief über den Weg zwischen den Zitronenbäumen. Er erreichte den Hof vor dem Haupthaus, überquerte ihn und blieb schließlich vor der Scheune stehen. Ich kletterte am Netz hinab, ohne darauf zu warten, dass er in die Hocke ging, ließ mich fallen und schnitt bei der Landung eine Grimasse, als sich gequälte Muskeln mit stechendem Schmerz beklagten.
    »Siehst du das Heu, Salzleck? Verkriech dich darin, so schnell wie möglich. Und dann bleib still liegen. Rühr dich nicht, was auch immer geschieht.«
    »Verstecken?«, fragte er skeptisch.
    »Ja, verstecken. Bleib so lange wie möglich versteckt. Die Verfolger haben es auf mich abgesehen und werden nicht nach dir suchen. Wenn sie weg sind, gehst du in die Berge. Dort treffen wir uns.«
    Ich bin immer ein guter Lügner gewesen, doch die letzten Worte blieben mir fast im Hals stecken. Um über das kurze Zögern hinwegzutäuschen, rief ich: »Schnell, Salzleck! Ins Heu mit dir, jetzt sofort, oder wir sind beide so gut wie tot!«
    Ich hatte unseren Vorsprung auf etwa eine Minute geschätzt, und die war fast um. Jeden Moment würden unsere Verfolger um die Ecke kommen. Es gab noch andere Worte, die ich an Salzleck richten konnte, aber ich schob sie beiseite, wirbelte um die eigene Achse und lief los, von der Scheune weg. Ich vergaß vorübergehend meinen lädierten Zustand, sprang über den Zaun, sprintete durch die erste Koppel – was die Kühe zu einem verärgerten Muhen veranlasste – und brachte auch den zweiten Zaun hinter mich.
    Die Hengste sahen von ihrer Mahlzeit auf und beäugten mich misstrauisch. Ich wurde langsamer und hoffte, dadurch weniger bedrohlich zu wirken. Trotzdem wichen die Pferde zurück, als ich mich ihnen näherte, und wieherten argwöhnisch. Für die sanfte Tour blieb mir keine Zeit. Ich ging weiter auf sie zu und dachte dabei: Wenn es zum Schlimmsten kommt, gerät einer der beiden Hengste in Panik und tritt mir den Kopf von den Schultern. Und dann wäre ich genauso tot, als hätten mich Moaradrids Männer erwischt.
    Zum Glück waren es keine wilden Pferde – sie wieherten nur ängstlich und wichen zurück. Auch dafür hatte ich keine Zeit. Entschlossen sprang ich vor und schwang mich auf den Rücken des nächsten Hengstes, bevor er begriff, wie ihm geschah, schlang ihm dann die Arme um den Hals und drückte ihm die Knie an die Seiten, als er mich abwerfen wollte. Es war nur ein kurzer, halbherziger Versuch. Jemand hatte schon vor einer ganzen Weile den Willen dieses Pferds gebrochen, wahrscheinlich mit mehr als nur ein bisschen Grausamkeit. Der Hengst war der Panik nahe, fand sich aber schnell damit ab, dass er nicht Herr des eigenen Schicksals war.
    Mit kurzen Fersenstößen dirigierte ich ihn zum Tor und hörte dabei nicht weit entfernt das Stampfen von Hufen. Als ich zur Straße blickte, versperrten mir die Zitronenbäume die Sicht. Ich gab dem Tor einen Tritt, nachdem ich die Schlinge gelöst hatte, die es geschlossen hielt, und es schwang an gut geölten Angeln auf. Der Hengst schien jetzt etwas ruhiger zu sein, vielleicht wegen der vertrauten Umstände. Ich trieb ihn an, und als wir den Pferch verlassen hatten, warf ich einen Blick über die Schulter, mit dem Ergebnis, dass mir das Herz bis zum Hals schlug.
    Ich konnte jetzt an den Bäumen vorbeisehen, bis zur Straße und zur Ecke, wo zwanzig oder mehr Reiter in Sicht gerieten, begleitet von einer großen Staubwolke. Ich wusste, dass sie mich ebenfalls sahen. Für einen Augenblick hätte man meinen können, dass die Distanz zwischen uns gar nicht mehr existierte. Die Männer waren so nahe, dass ich Einzelheiten ihrer Rüstungen und Waffen erkannte, sogar ihre Gesichter, die so etwas wie grimmige Freude darüber zeigten, mir so nahe zu sein.
    Hinter dem Tor trieb ich den Hengst an und rief ihm etwas ins Ohr. Verwirrt und erschrocken lief er los, nur knapp an einem Baum vorbei, und wandte sich abrupt zur Seite, als er die Straße erreichte, was mich fast den Platz auf seinem Rücken gekostet hätte. Ein Pfeil bohrte sich zwischen seinen vorderen Hufen in den Boden, und ein weiterer fiel hinter uns auf die Straße. Plötzlich waren sie überall, Blitze aus Holz und Metall, die um uns herum Schmutz und Staub aufwirbelten. Etwas streifte meine Schulter – es fühlte sich an, als

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