Im Schatten der Giganten: Roman
außerdem wollte ich ohnehin nicht bezahlen. »Abgemacht!«, rief ich.
Diesmal war es der Patriarch, der mich groß anstarrte.
Nachdem wir uns geeinigt hatten, wurde ich zum Brunnen geführt, wo ich dankbar einen Becher nach dem anderen trank, bis ich befürchtete, dass mir Wasser aus den Ohren kommen könnte. Ich rief Salzleck zu mir, und er kam herbei, während Kinder sich an seine Beine klammerten, an ihm hochsprangen und den Lendenschurz zu erreichen versuchten. Ehrfürchtig beobachteten sie, wie er drei randvolle Eimer in sich hineinschüttete, dann die Hände an den Hüften abwischte und zufrieden rülpste. Anschließend brachte man ihn zu einem Schuppen mit getrocknetem Gras und mich zur Bank mit dem alten Pfeifenraucher, der widerstrebend zur Seite rutschte, um mir Platz zu machen.
Der süße Rauch roch ein wenig nach Lavendel und machte mich schläfrig. Als man mir das Essen brachte, war ich kurz vorm Einnicken, doch der Duft von frischem Brot weckte mich sofort. Ich hob den Kopf und sah eine alte Frau, die durch eine nahe Tür humpelte, mit einem hölzernen Tablett in so arthritischen Händen, dass ich befürchtete, sie könnte es fallen lassen. Mit eiserner Entschlossenheit schaffte sie es bis zu uns, und schließlich stand das Tablett neben mir auf der Sitzbank. Es gab nicht nur Brot, sondern auch öligen Reis mit Oliven und Fleischstücken sowie ein großes Stück Ziegenkäse.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, die Hälfte für den kommenden Tag aufzusparen, aber der Hunger war einfach zu groß. Ich aß wie in Trance, stopfte mir immer wieder den Mund voll, ohne groß auf den Geschmack zu achten. Als ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, war nur noch ein Drittel des Brotes übrig. Kummervoll steckte ich es in eine der Innentaschen meines Mantels. Zwar war ich nicht richtig gesättigt, aber wenigstens fühlte es sich nicht mehr so an, als versuchte mein Magen, die übrigen Organe zu verschlingen.
Ich stand auf, ging über den Platz, blickte nach Norden … und erstarrte. Auf dem Gipfel des Buckels, zwischen den Bäumen halb zu erkennen, bewegten sich kleine Lichter, die nur Fackeln sein konnten. Unsere Verfolger hatten enorm schnell aufgeholt. Irgendetwas an jenen leuchtenden Flammen führte dazu, dass mir der Schweiß ausbrach.
»Salzleck!«, rief ich und achtete darauf, dass es nicht schrill klang. »Es wird Zeit, dass wir uns wieder auf den Weg machen.«
Der Riese hatte inzwischen einen großen Teil des Grases intus und saß neben dem Schuppen, in Gesellschaft der Kinder, die noch immer an ihm herumkletterten und sich dabei gegenseitig anfeuerten. Eine kurze Bewegung mit der Hand hätte genügt, um eins von ihnen fortzuschleudern, doch die Jungen und Mädchen zeigten überhaupt keine Angst; offenbar vertrauten sie Salzleck. Mir wurde klar, wie sehr meine Vorstellungen von den Erlebnissen des Morgens bestimmt wurden. Viel zu deutlich erinnerte ich mich an den Riesen, der ein Pferd samt Reiter hochgehoben und ins Kampfgetümmel geworfen hatte. Ich schauderte unwillkürlich – bei jener Gelegenheit hatten Salzlecks Artgenossen alles andere als gutmütig gewirkt.
Salzleck sah auf. Als ich erneut seinen Namen rief, erhob er sich und wankte näher. Ich nickte nach Norden, war mir aber nicht sicher, ob er verstand.
Bevor ich etwas sagen konnte, huschte der Patriarch auf uns zu – für sein Alter konnte er erstaunlich schnell sein. »Seid ihr beide zufrieden? Es ist schade, dass ihr schon gehen müsst, noch dazu im Dunkeln, in finsterer Nacht, in der mit Pumas, Räubern und Schlimmerem zu rechnen ist. Wir könnten dir eine Unterkunft zur Verfügung stellen, zu einem vernünftigen Preis, und vielleicht eine Scheune für deinen Freund.«
»Ein freundliches Angebot. Leider müssen wir aufbrechen, und die Zeit drängt.«
»Nun gut. Der Preis beträgt drei Onyx-Münzen, wie vereinbart.«
Ich fragte mich, wie schnell ich auf Salzlecks Schulter gelangen konnte, und ob er loslief, wenn ich ihn dazu aufforderte. Ich konnte nicht ausschließen, dass er sich bei dieser Sache auf die Seite der Dorfbewohner schlug. Keiner von ihnen war in der Lage, nennenswerten Widerstand zu leisten, doch die Vorstellung, durch eine Barrikade aus alten Leuten und Kindern zu trampeln, hatte etwas Geschmackloses. Ich holte Moaradrids Beutel hervor und öffnete ihn mit einem resignierten Seufzen.
Als ich hineinsah, kam mir eine Idee. »Ihr seid sehr großzügig und gastfreundlich gewesen. Reis und Käse waren eine
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