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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sagen sollte«, murmelte sie und klang so verschüchtert, so aufrichtig bekümmert, dass ich versucht gewesen wäre, ihr zu glauben, wenn ich das alles nicht schon einmal erlebt hätte. Immerhin gab es wichtigere Dinge, die ich sie fragen musste, also beschloss ich, mich nicht an diesem einen Punkt aufzuhalten.
    »Hast du in der letzten Nacht oder heute Morgen Besuch erhalten?«
    »Nein, Sir«, flüsterte sie, obwohl kein Grund dazu bestand, die Stimme zu senken, wir waren schließlich allein.
    »Aber gestern oder vorgestern, da hast du doch mit Frobisher gesprochen. Jedenfalls hat er mir eine Botschaft von dir ausgerichtet.«
    »Ja, Sir, aber doch nur, weil ich dachte, Ihr wolltet wissen, dass ich noch ein paar Briefe von my lady gefunden habe. Wo Ihr doch danach gefragt habt. Ich habe immer weiter gesucht, Sir, und deswegen habe ich sie gefunden. Mehrere. Ich bin ein gutes Mädchen.«
    »Wenn du so ein gutes Mädchen bist, Pirto, warum hast du die Briefe dann nicht seiner Gnaden, dem Bürgermeister, oder einem Geschworenen übergeben? Oder deinem Herrn?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Ich wollte mich schon an die nächste Frage machen, als sie, immer noch flüsternd, sagte: »Anthony Forster ist nicht mein Herr, Sir. Ich war Lady Dudleys Zofe, nicht ein Mitglied seiner Dienerschaft, und damit ist ihr Erbe mein Herr.«
    »Nun«, sagte ich und tunkte mein Brot in den Most, »du weißt, dass du mich als my lords Stellvertreter hier betrachten kannst.«
    »Gewiss, Master Blount.« Das Lächeln, mit dem sie mich betrachtete, war die Sanftmut selbst. »Aber ich dachte doch, dass my ladys Bruder ihr Erbe ist. Das erzählt er jedenfalls jedem hier.«
    Fast hätte ich mich verschluckt. »Kreuzdonner!«, fluchte ich. »Willst du damit sagen, dass du John Appleyard my ladys Brief gegeben hast?«
    Sie trat an den Tisch heran und schenkte noch etwas Most in den Becher ein, der vor mir stand.
    »Ihr wisst doch, Sir, ich bin nur eine hilflose Frau, und da muss ich natürlich glauben, was die hohen Herrn behaupten.«
    »Appleyard«, wiederholte ich dumpf. »Er hat den Brief also.«
    »Nun, Sir, ich habe nicht nur einen Brief gefunden, sondern mehrere. Aber seid unbesorgt, ich habe Master Appleyard nur von ihnen erzählt«, sagte sie freundlich. »Mit dem Übergeben wollte ich warten. Schließlich seid Ihr ja wirklich my lords Stellvertreter … in allen Dingen. Und ein dummes Ding wie ich weiß doch nun wirklich nicht, wem die Briefe nun mehr zustehen.«
    Ich wünschte, der Most wäre Branntwein und ich könnte mich ganz schnell betrinken. Außerdem wollte ich mir nicht eingestehen, dass ich mich von einer Zofe so ausmanövrieren ließ. Aber genau das tat sie gerade. Wenn ich jetzt noch Anschuldigungen gegenüber Pirto erhob, dann würde John Appleyard sagen, dass ich das nur wegen Amys ominöser Schreiben tat, die keiner von uns beiden bisher zu Gesicht bekommen hatte. Wenn ich mich weigerte, Pirto zu bezahlen, dann hatte sie bereits einen anderen Käufer auf Lager, und es war einer, den ich nicht einschüchtern konnte. Appleyard mochte darauf hoffen, dass die Briefe etwas gegen Robin enthielten, aber er würde sich auch mit mir zufriedengeben, denn wenn ich ein Verdächtiger wurde, dann würde der Rest der Welt ohnehin sicher sein, dass Robin mir den Auftrag erteilt hatte. Im einen wie im anderen Fall winkte ihm Amys Erbe. Das Einzige, was Appleyard zurückhalten konnte, war die Sorge um den Ruf seiner Schwester und die Furcht, dass die Königin vielleicht doch zugunsten Robins eingriff, statt ihn fallenzulassen.
    Nun war ich nach all den Jahren in Robins Diensten alles andere als ein armer Mann; es wäre mir durchaus möglich, Pirto mit einer Mitgift auszustatten, die sie zufriedenstellte, ohne deswegen zu tief ins Säckel zu greifen oder gar etwas aus unserem Heim in Kidderminster veräußern zu müssen. Aber ich erkannte ein Faß ohne Boden, wenn ich eins sah. Wenn ich einmal nachgab, dann würde Pirto sich ihr Schweigen für den Rest ihres Lebens bezahlen lassen. Aus der Mitgift würde bald eine Lebensrente werden und eine Ausstattung für ihre Kinder und Enkel. Ich stellte mir Edward oder Christopher vor, wie sie als Männer nach meinem Ableben durch meine Abrechnungen gingen und feststellten, dass ihr Vater Schweigegeld bezahlt hatte. Sosehr mich diese Vorstellung quälte, so war sie doch immer noch besser als die davon, wie Edward und Christopher als die Söhne eines hingerichteten Mörders aufwuchsen, wenn Pirto den

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