Im Schatten der Königin: Roman
Geschworenen Beweise für meinen Fehltritt mit Amy vorlegte.
Verflucht noch einmal. Das alles wären nur wilde Phantasien, wenn Robin sich nach dem Tod von Königin Mary mit seinem erneuerten Glück beschieden und das Dasein eines Landedelmannes in Norfolk gepflegt hätte, an Amys Seite. Niemals wäre es zu jenen unklugen Zärtlichkeiten zwischen ihr und mir gekommen, denn ich wusste sehr wohl, dass Amy nicht von unkontrollierbarem Verlangen nach mir getrieben worden war, sondern von Einsamkeit und vielleicht auch dem Wunsch, ihrem Gatten seine landesweit bekannte Untreue heimzuzahlen.
Doch noch während ich in Gedanken mit Robin haderte, meldete sich eine innere Stimme, die wie meine Gemahlin Margery klang und mich daran erinnerte, dass ich Robins Ehrgeiz begrüßt und ermutigt hatte; dass mich niemand daran gehindert hätte, in Kidderminster zu bleiben und die Dudleys sich selbst zu überlassen. Der verstörendste Gedanke indessen war dieser: Wenn Robin mir die Wahrheit gesagt hatte und er schon nach seiner Rückkehr aus dem Tower wusste, dass er seine Frau nicht mehr liebte, hatte es für Amy nie die Möglichkeit gegeben, ein glückliches Leben mit ihm zu führen. Ich erinnerte mich daran, wie sie mir zugeflüstert hatte, mehr als einmal: »Ich will doch nur das, was mir zusteht.« Doch was stand ihr zu? Ein Leben an der Seite des Mannes, der versprochen hatte, sie zu achten und zu ehren, gewiss. Auch Kinder, wenn der Allmächtige sie ihr beschied. Doch Amy, die Amy, die ihren Vater angelogen und behauptet hatte, ein Kind zu erwarten, um Robin heiraten zu dürfen, die Amy, die ich gekannt hatte, wäre damit allein nicht zufrieden gewesen, wenn ihr Gemahl sie nicht mehr liebte. Nein, das wäre sie nicht.
Ich unterdrückte den Impuls, mich zu bekreuzigen. War Amy an einem Kampf zerbrochen, den sie schon verloren hatte, bevor sie überhaupt von ihm wusste?
»Niemand heiratet, um geliebt zu werden«, hatte meine Base Jane einmal zu mir gesagt. »Wir Frauen heiraten aus Gehorsam unseren Eltern gegenüber, und ihr Männer, um eure Familien fortzusetzen und nicht länger zu sündigen. Ich darf sagen, dass John und mich nun Liebe verbindet, und ich bin glücklich, seine Gemahlin zu sein, doch als ich ein junges Ding war, da hätte ich ihn wohl nicht gewählt. Aber die jungen Leute heute, die scheinen mir Liebe nicht als etwas zu sehen, was sie erhoffen, sondern als etwas, was ihr Recht ist, gleich hier und jetzt. Und fehlt die Liebe, dann ist ihnen alles andere nichts mehr wert. Ich verstehe es nicht, Vetter.«
»Noch etwas Brot, Sir?«, fragte Pirto, ganz die eilfertige Bedienstete, für die sie jeder außer mir hielt. Ich wandte den Stimmen der Vergangenheit den Rücken; sie halfen mir jetzt nicht weiter. Selbst Gewalt würde mir nicht weiterhelfen. Ob ich ohne den Hinweis auf John Appleyard aus Pirto herausgeprügelt hätte, wo sie die Briefe versteckte, würde ich nie herausfinden. Bisher hatte ich nie Hand an eine Frau gelegt, aber bisher hatte ich mich auch noch nie in einer solchen Lage befunden.
Nun gut, dachte ich. Wenn einem nur Fetzen gegeben sind, um daraus einen Mantel zu schneidern, dann muss man eben versuchen, mit einem Flickenteppich zurechtzukommen, und nicht länger darüber lamentieren, dass er kein Pelzmantel ist.
»Nein danke«, entgegnete ich kühl. »Was nun my ladys Briefe betrifft, so scheint mir, dass sie dem Herrn Bürgermeister zustehen, ist er doch derjenige, welcher der gerichtlichen Untersuchung von my ladys Tod vorsitzt. Ich bin sicher, John Appleyard sieht das genauso. Lass uns also gleich losziehen, um sie ihm zu übergeben.«
Dies war nun wirklich ein Glücksspiel, und vielleicht wusste Pirto das. Aber sie kannte mich nicht, nicht wirklich, ganz gleich, was sie in Kidderminster beobachtet hatte oder nicht. Sie wusste nicht, ob ich bereit war, die Gerechtigkeit über alles zu stellen, zu riskieren, dass ich selbst als Verdächtiger dastand und meine Zukunft als Robins rechte Hand opferte, oder es mir nur wichtig war, dass sie kein Geld und keine Stellung bekommen würde, weder von mir noch von Appleyard, wenn der Brief – die Briefe – in der Hand des Bürgermeisters und der Geschworenen waren. Sie konnte auch nicht wissen, ob ich ihr jetzt oder später etwas antun würde oder nicht.
Pirto starrte mich an, und ich schaute zurück und betete zu Gott und allen Heiligen, die wir unter Edward nicht mehr hatten, unter Mary haben mussten und unter Elizabeth behalten oder aufgeben
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