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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wo my lady tot ist. Ich wette, nun können wir auch Euren Herrn erwarten, wenn er nicht zu beschäftigt ist, sich Krönungskleider anmessen zu lassen? Tote Frauen sind stumme Frauen, bei denen kann man sich blicken lassen, da muss man nicht antworten, wenn sie klagen und fragen, was aus all den Schwüren geworden ist, die ein Mann vor Gott geleistet hat. Hah! «
    Sie war nur zwei Jahre älter als ich, aber sie benahm sich, als wäre ich ein junger Nichtsnutz im Alter von Frobisher. So benahm Edith Odingsells sich jedem gegenüber. Offen gesprochen, habe ich lieber mit Franzosen gefochten und mit Spaniern getrunken, als Zeit mit dieser kleinen, dicken Frau verbracht, die immer noch keine Anstalten machte, sich aus dem dunkelpolierten Eichenholzstuhl zu erheben, in dem sie saß. Aber unsere Familien kannten sich schon sehr lange, und damit meine ich nicht nur die Dudleys und ihre Schützlinge, sondern die Blounts. Ich hatte Edith Odingsells schon gekannt, als sie noch ein kleines Mädchen mit Zöpfen gewesen war, aber bereits so unerträglich wie heute. Mag sein, dass gemeinsame Kindheitserinnerungen ein Band zwischen Robin und der Königin schufen; zwischen Mrs.Odingsells und mir schufen sie nur unsere gegenseitige Abneigung.
    »Man möchte meinen, dass Ihr im Zimmer einer Toten Eure Zunge besser im Zaum hieltet, Mistress«, sagte ich frostig. Frauen mochten andere Waffen als wir Männer besitzen, aber das hieß nicht, dass sie weniger verletzen konnten.
    »Ich lasse mir doch von Euch nicht den Mund verbieten, Tom Blount«, sagte sie ungehalten.
    »Ich bin schon froh, wenn Ihr mich überhaupt zu Wort kommen lasst«, entgegnete ich und fand es ein wenig unheimlich, wie leicht es nach all den Jahren war, wieder in ein Wortgefecht mit ihr hineinzugleiten.
    »Hah!«, rief sie wieder. »Ich habe mit ihr gelebt in den letzten Monaten, im Gegensatz zu Euch und Lord Robert, also erzählt mir nicht, wie ich um sie trauern soll, Tom Blount. Ich wette, Ihr habt noch nicht einmal ein Gebet für sie gesprochen oder gefragt, wo man ihren Leichnam aufgebahrt hat. Nein, denn dann müsstet Ihr sie ja anschauen.«
    Ich beherrschte mich nur unter großen Mühen. Mrs.Owen, die wie ein gebrechlicher alter Vogel wirkte, ganz Knochen, ledrige Haut und staubiges Gefieder in ihren dunklen Kleidern, die schon dreißig Jahre aus der Mode waren, legte den Kopf schräg und hörte zu, ohne sich einzumischen.
    »Es stolpern mehr Menschen über ihre Zunge als über ihre Füße, Mistress, also passt auf, dass Ihr nicht hinfallt. Hier ist so etwas gefährlich.«
    »Das hättet Ihr wohl gerne, Tom Blount.« Sie faltete die Arme vor der Brust und funkelte mich an; ich konnte nicht erkennen, ob es abschätzig oder herausfordernd war. Doch dies tat im Moment auch nichts zur Sache, und ich musste mich darauf konzentrieren, die Wahrheit zu finden und nicht einen Weg, das zänkische Weib zum Schweigen zu bringen.
    »Mrs.Odingsells, es ist wichtig, dass Ihr mir genau erzählt, was an jenem Sonntag hier vor sich ging«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Ich habe den Auftrag, herauszufinden, wie my lady zu Tode gekommen ist, und ich werde ihn erfüllen.«
    »Wichtig für wen? Für Robert Dudley? Für den ist nur wichtig, dass es jemand anderen gibt, dem er die Schuld geben kann, nicht, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Mir könnt Ihr nichts vormachen, Tom Blount. Seit der letzten Krönung habt Ihr wie die Made im Speck gesessen, Ihr und Euer Herr, und Ihr wollt nur nicht, dass es damit vorbei ist.«
    Es hatte einmal Pläne gegeben, uns miteinander zu verheiraten. Wenn ich, so wie gewisse andere Leute, immer noch heimlich dem papistischen Aberglauben anhinge, würde ich geneigt sein, eine Kerze zu stiften, weil unsere Eltern rechtzeitig andere Pläne ins Auge fassten. Immerhin, ein scharf geschliffenes Messer konnte man in mehr als eine Richtung wetzen.
    »Und was wollt Ihr, Edith Odingsells?«, fragte ich leise. »Wollt Ihr nicht darüber nachdenken, dass Ihr im Streit mit my lady auseinandergegangen seid? Dass Ihr sie hättet retten können, wenn Ihr nicht auf sie gehört hättet und im Haus geblieben wäret?«
    Sie riss die Hand hoch, und einen Augenblick lang sah es so aus, als würde sie aufspringen und sich auf mich stürzen. Dann sackte sie wieder in sich zusammen.
    »Niemand hätte sie retten können«, murmelte sie.
    »Wie meint Ihr das?«
    »Ich meine, dass wir zurückkehrten, ihre Zofe Pirto allen voran, und sie tot auffanden. Ich meine, dass ihre

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