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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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war sie tatsächlich alleine?«, hakte ich noch einmal nach.
    »Mrs.Owen war im Haus«, sagte Forster. »Sie ist zu alt für Jahrmarktsbesuche, und my lady wollte mit ihr zu Mittag speisen. Natürlich war auch Agnes hier, das ist Mrs.Owens Magd, aber die war die ganze Zeit bei ihrer Herrin, und keine von beiden hat etwas gehört, weder einen Sturz noch Hilferufe, bis das restliche Gesinde vom Jahrmarkt nach Hause kam und my lady tot vorfand. Niemand hätte etwas tun können, niemand.«
    »Und du, Forster?«, fuhr ich ihn an und schaffte es gerade noch, nicht laut zu fluchen. Ich konnte jahrelang die Ruhe selbst sein, aber wenn ich einmal anfing, dann würde ich so schnell nicht mehr aufhören, das wusste ich, und das half niemandem. »Erzähl mir nicht, dass sie dir auch befehlen konnte, auf den Jahrmarkt zu gehen. Du bist der Hausherr und ihr Gastgeber.«
    Sein Gesicht verschloss sich. »Ich hatte … anderweitig Geschäfte zu erledigen.«
    »Forster!«
    »Hör zu, Blount, es waren meine eigenen Angelegenheiten, denen ich nachging. Es hatte nichts mit my lord zu tun, nichts mit my lady oder mit dir. Ich bin erst am Abend zurückgekehrt, deswegen habe ich Bowes auch nicht früher nach Windsor schicken können. Und damit genug!«
    Ich überlegte mir, ob es sich jetzt schon lohnte, ihm die Daumenschrauben anzusetzen. Wahrscheinlich nicht. Wenn ich Pech hatte, dann waren seine Geschäfte tatsächlich nichts, was mich etwas anging. Aber darauf konnte ich mich nicht verlassen.
    »Mein lieber Freund«, sagte ich, »ich bin sicher, dass einen in unserem Alter das Gedächtnis noch nicht im Stich lässt. Dir steht gewiss noch lebhaft vor Augen, wie es war, gebrandmarkt wie ein räudiges Schaf zu sein, nur weil wir für John Dudley gearbeitet haben. Andere mögen sich von Lord Robert absetzen können, sollte das Schicksal sich jetzt gegen ihn wenden, aber du nicht. In deinem Haus ist my lady Amy gestorben. Wenn ich du wäre, würde ich alles, aber auch wirklich alles tun, um zu beweisen, dass ich nichts damit zu tun hatte.«
    Seine Augen verengten sich. » Hattest du etwas damit zu tun?«, entgegnete er.
    Zuerst dachte ich, dass ich mich verhört hatte. Dann schalt ich mich töricht und tat mein Bestes, den Zorn zu unterdrücken, der erneut in mir aufwallte. Es war ein alter Fechtertrick, einem Treffer auszuweichen, um dadurch den Angreifer in eine Verteidigungsposition zu bringen.
    »Ich schreibe heute meinen ersten Bericht an my lord«, sagte ich kühl. »Ob darin steht, dass du hilfreich oder im Wege bist, wenn es darum geht, herauszufinden, wie my lady zu Tode kam, das ist deine Angelegenheit. Überleg es dir gut. Du hast noch ein paar Stunden Zeit. Wo finde ich Mrs.Owen und Mrs.Odingsells?«

    Wie sich herausstellte, leisteten sich die beiden Witwen in Amys Zimmer Gesellschaft. Auf dem Weg dorthin stieg ich die Treppe hoch, von der sie gestürzt sein musste. Eine gewöhnliche Treppe, nicht gewunden, ein einfacher Aufstieg in den ersten Stock. Die Mönche mochten sie über Jahre ausgetreten haben, aber bereits Dr.Owen hatte das Innere des Hauses renovieren lassen, als er es übernahm, und Forster hatte weiteres Geld hineingesteckt, seit er es gemietet hatte. Die einzelnen Stufen waren gut verkeilt und fest, mit einer größeren Plattform in der Mitte der Treppe, weil die Räume im Erdgeschoß mindestens so hoch wie zwei erwachsene Männer waren. Ein unglücklicher Sturz war möglich, zumal, wenn er sich auf den obersten Stufen ereignet hatte. Vielleicht hatte sich Amys Fuß in ihrem Kleid verhakt? Wenn Frobisher hier aufkreuzte, würde ich einen kleinen Versuch machen, was Geräusche von dieser Stelle und ihre Hörbarkeit im Rest des Hauses betraf; sich einfach nur auf Forsters Wort zu verlassen war weniger, als ich der Toten schuldete.
    Als ich Amy Dudley zum letzten Mal lebend sah, stand sie in dem Zimmer, das ich nun aufsuchte, während ihre Zofe Pirto sich um die Truhen und Körbe voller Gepäck kümmerte. »Danke für dein Geleit«, sagte sie, und nur, wer sie kannte, hörte die Bitterkeit in ihrem Ton. »Vetter Blount.«
    Ich war dieser besonderen Erinnerung bisher mehr oder weniger erfolgreich aus dem Weg gegangen; jetzt wurde es schwerer mit jedem Schritt. Glücklicherweise glich keine der beiden Frauen, die ich stickend in Amys Gemach vorfand, der verstorbenen Gattin meines Vetters Robin auch nur im Mindesten.
    »Tom Blount!«, rief Mrs.Odingsells. »Das ist ein starkes Stück, sich hier blicken zu lassen, jetzt,

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