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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hatte.
    »Ich kann Euch dazu nichts sagen«, beharrte sie störrisch, und ich seufzte. Also musste ich eine andere fragen, von der nicht zu erwarten war, dass sie ein Blatt vor den Mund nehmen würde – aber die Aussicht auf noch mehr Gespräche mit Edith Odingsells verbesserte meine Stimmung nicht.
    »Wie bist du am Sonntag zum Jahrmarkt gekommen?«, fragte ich, das Thema wechselnd.
    »Mit Mrs.Odingsells, Sir. Sie hat mich auf ihrem Karren mitfahren lassen, und das letzte Stück sind wir gelaufen.«
    »Warum?«
    »Es waren gar so viele Leute, die auf den Jahrmarkt wollten, Master Blount. Da sind wir mit dem Karren nicht weitergekommen. Hughes hat uns alle abgesetzt und ist mit dem Karren und den Pferden auf ein Feld vor den Ort gezogen, bis Mrs.Odingsells einen Burschen nach ihm schickte. Die meisten anderen sind ohnehin gelaufen und mussten nicht auf ihn warten.«
    »Wie viel Zeit war bis dahin vergangen, was meinst du?«
    »Vier Stunden, Sir, oder doch mehr als drei.«
    Das klang etwas anders, als Hughes es erzählt hatte. Er hätte in der Zeit zurück nach Cumnor reiten können, falls jemand anders auf den Karren achtete. Vorausgesetzt, er hätte einen Grund dazu gehabt.

Kapitel 6
    Dienstag, 10. September 1560
    I ch konnte riechen, dass die Latimers und der alte Koch etwas davon verstanden, eine schmackhafte Mahlzeit zuzubereiten, aber es dauerte noch eine Weile, bis ich in der Lage war, ihre Künste zu genießen. Nach dem Besuch in der Kapelle hätte ich nichts meine Kehle hinunterzwingen können, also ließ ich mir von Pirto den Schlüssel geben und ging den Inhalt von Amys Truhen durch.
    Tatsächlich war das Erste, was ich fand, ein angefangenes Schreiben an einen Londoner Schneider, in dem sie ein Taftkleid im gleichen Schnitt wie ihr Samtkleid bestellte. Samt und Taft war den Hofdamen vorbehalten sowie Ehefrauen eines Mannes, der mindestens den Rang eines Ritters hatte. Solche Kleider, wie Amy sie bestellte, wären genau richtig für einen Empfang bei Hofe gewesen; hier, in der Provinz, hätten sie gewiss übertrieben gewirkt. Sie musste bis zum Schluss gehofft haben, dass Robin sie an den Hof holen würde. Aber warum hatte sie das Schreiben nicht abgeschickt?
    Ich fand keine Briefe von Robin, und der Ärger, der mich deswegen erfüllte, war unerwartet heftig. Sie war seine Gemahlin, dachte ich, und das nicht, weil ihn irgendjemand zu der Ehe hätte zwingen müssen. Er hat ihr sein Wort vor Gott gegeben, verdammt noch mal; er hätte sie nicht behandeln dürfen wie ein abgelegtes Spielzeug.
    Es war nicht so, dass er kein gutes Vorbild gehabt hätte. Ich war sicher nicht der Mann, der John Dudley heiligsprechen würde, aber er war meiner Base Jane immer ein guter Gatte, durch fünfundzwanzig Jahre Ehe. Jane war nur während der letzten Wochen ihrer dreizehn Schwangerschaften und zu Kriegszeiten nicht an Johns Seite geblieben, und Johns brennender Ehrgeiz war gewiss nicht geringer, sondern immer größer als der seines Sohnes gewesen.
    Natürlich war John nicht Robins einziges Vorbild gewesen. Es war mir nur zu gut bewusst, dass ich derjenige war, der Robin Ratschläge über Huren und verheiratete Frauen erteilt hatte. Und er hatte mir zugehört. Was genau zwischen ihm und der Königin vor sich geht, das habe ich absichtlich nie gefragt, doch ich weiß, dass er Amy schon untreu war, als Königin Mary noch regierte, und nicht nur in Frankreich, als wir beide zwischen Scharmützeln Vergessen suchten. »Sie sind verheiratet«, hatte er zu mir gesagt, als ich einmal eine Frage andeutete, »also mach dir keine Sorgen, Vetter.«
    Darauf hinzuweisen, dass ich meinen Ratschlag auf die Zeit vor seiner Ehe bezogen hatte, nicht danach, klang selbst in meinen eigenen Ohren reichlich heuchlerisch. Dennoch, wenn er Amy noch nicht einmal Briefe geschickt hatte, dann war ich dafür nicht verantwortlich; das zumindest konnte ich mir nicht vorwerfen. Nach all dem, was in diesem Frühjahr passiert war, hatte ich Robin mehrmals gebeten, Amy zu schreiben, und er hatte mir versichert, es bereits getan zu haben. Lügner, dachte ich zornig, gemeiner Lügner, und mein gerechter Zorn wurde erst getrübt, als mir bewusst wurde, dass Robin nicht der Einzige war, der Amy Briefe versprochen und nicht geschickt hatte. Aber ich habe mir immer Zeit genommen, meiner Gattin zu schreiben, sagte ich mir; es war leichter, auf ihn zornig zu sein, als mir Gedanken über meine eigene Schuld zu machen.
    Dann fiel mir auf, dass sich überhaupt kein

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