Im Schatten der Königin: Roman
der wirklich überall anders zu erwarten gewesen wäre als eben hier. Ich spürte, dass ich zu schwitzen begann, blieb stehen und wartete, bis Cecil und seine Begleiter mich eingeholt hatten. Er erwiderte meine Verbeugung mit einem Nicken.
»Tom Blount, nicht wahr?«
Ich war nicht geschmeichelt; der Mann hatte ein Gedächtnis wie ein Uhrwerk, und ich hätte es vorgezogen, wenn er sich nicht mehr an unsere wenigen Begegnungen oder meinen Namen erinnert hätte. Wahrscheinlich wusste er auch noch, wo mein Heim in Kidderminster lag, und die Namen meiner Kinder.
»Mr.Secretary«, sagte ich und verbeugte mich noch einmal. Sein Blick wanderte über mich, und ich wusste, dass ihm der verdreckte Zustand meiner Kleidung nicht entging. Trotzdem fragte er, als könne ich nur gerade von Robins Haus gekommen sein, um ihn abzuholen: »Wie geht es Eurem Herrn, Blount?«
Ich erwähnte nicht, dass ich selbst gerade erst in Kew eingetroffen war und nicht wusste, ob Robin derzeit tobte, feierte oder – was für uns alle die beste Möglichkeit wäre – trauerte. In keinem Fall ging die Wahrheit Cecil etwas an.
»Der Herr gibt uns zu den Prüfungen, die er uns auferlegt, auch die dafür nötige Kraft, Sir William«, gab ich zurück, und er nickte.
»Die Wege des Herrn sind unergründlich.«
Der Weg von der Anlegestelle bis zu Robins Haus war nicht unergründlich, sondern unangemessen lang; so schien es mir zumindest, denn Floskel nach Floskel mit William Cecil auszutauschen und darauf aufzupassen, nichts zu sagen, was von ihm zu seinem Vorteil interpretiert werden konnte oder womöglich der Wahrheit entsprach, dehnte die Zeit endlos. Ich erinnerte mich gut daran, was der junge Campion heute alles aus Dingen schlussfolgerte, die ich ihm nicht gesagt hatte, und kam noch mehr ins Schwitzen. Campion war ein Springinsfeld von der Universität, der seine Nase noch nie ins wahre Leben gesteckt hatte; Cecil hatte es geschafft, Edward Seymour, John Dudley und die verstorbene Königin Mary alle so richtig einzuschätzen, dass er in ihren Diensten nicht nur überlebte, sondern immer höher stieg.
Aber auch ich habe überlebt, dachte ich trotzig. Auch ich habe überlebt, auch ich habe mir Familie und Ansehen bewahrt und vermehrt. Mein Kopf hätte so leicht fallen können wie seiner. Ich habe Gebete auf Englisch oder Latein gesprochen, je nachdem, was der von Gott gewollte Herrscher von uns forderte, und niemanden in mein Herz blicken lassen, und ich habe überlebt. William Cecil mag gefährlich sein, aber er ist auch nur ein Mensch, genau wie ich selbst.
»Ehen, die in Leidenschaft beginnen, enden oft in Bitternis«, sagte Cecil gerade. »Das ist der Grund, warum sie von klügeren Köpfen geplant werden sollten, als junge Mädchen sie besitzen – oder, was das angeht, junge Männer. Meint Ihr nicht auch, Blount?«
»Die Liebe zwischen einem Ehemann und seinem ihm angetrauten Weibe ist dem Herrn ein Wohlgefallen«, sagte ich mit einer weiteren Floskel. Natürlich wusste ich, worauf er anspielte; er war damals gerade von Seymours Lager zu John Dudleys übergewechselt und zur Hochzeit von Amy und Robin eingeladen worden. Der am meisten wiederholte Spruch während der gesamten Feier war: »Ein schönes Paar, das sich in Liebe gefunden hat«, was seinerzeit nicht nur Margery dazu brachte, mit gesenkter Stimme zu fragen, ob Amy Robsart bereits ein Kind erwarte.
»Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen«, stimmte Cecil zu, und damit war ich um eine Sentenz ärmer, in die ich mich hätte flüchten können. Ich konnte das Haus schon sehen, also entschied ich mich für einen nicht mehr so allgemeinen Satz.
»Wie geht es Eurer Gemahlin?«
Das war ein Fehler, wie sich sofort herausstellte.
»Ganz ausgezeichnet«, sagte Cecil milde. »Schließlich verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit ihr und unseren Kindern, wenn ich nicht im Dienst der Königin unterwegs bin, versteht sich. Ihr seid doch auch verheiratet, Blount, Ihr seht das gewiss genauso. Junge Leute natürlich, die haben da vielleicht eine etwas andere Einstellung, aber dann ist unsereiner ja verpflichtet, ihnen ins Gewissen zu reden. Gerade, wenn wir mit ihnen verwandt sind. Wie betrüblich ist es hingegen, wenn dann so ein junger Verwandter dabei ist, sich einen Ruf als Frauenheld zu erwerben. Von wem er das nur hat, fragt man sich dann doch.«
Das Schlimmste war, dass ich die Absicht hinter seinen Worten vom ersten Satz an spürte und mich dennoch schuldig
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