Im Schatten der Leidenschaft
sein. Sie waren in gewissem Sinne Freunde gewesen. Mitglieder derselben gesellschaftlichen Clique. Aber was war, wenn Brian seinem Sohn gesagt hatte, daß Hugo ein Mitglied der Bruderschaft gewesen war? Kannte dieser junge Mann die Geschichte von Stephen Greshams Tod?
Hugo zwang sich zu lächeln und dem Mann die Hand zu schütteln. Er murmelte eine Banalität, während die Gedanken in seinem Kopf wild durcheinanderfielen. Sie alle hatten Stillschweigen über das Duell geschworen ... ein Stillschweigen, das natürlich auch für Söhne galt. Doch angenommen, Brian hatte seinen Eid gebrochen?
»Ich habe Ihren Vater schon seit Jahren nicht mehr gesehen«, sagte er. »Der Krieg hat viele Freundschaften unterbrochen.«
»Ich bin noch mal zurückgekommen, um Dante zu holen«, teilte ihm Chloe fröhlich mit, die diesmal zu sehr mit ihren eigenen Plänen beschäftigt war, um Hugos Stimmung zu bemerken. »Wir machen einen Spaziergang im Green Park mit ihm.«
»Hast du deine weibliche Begleitung vor der Tür gelassen?« fragte Hugo eindringlich und hob die Augenbrauen. »Wie unhöflich von dir, Chloe.«
Ein unbehagliches Schweigen entstand, dann sagte der junge Lord Bentham: »Es ist so, Sir, daß meine Schwester uns ursprünglich begleiten wollte, Sir, aber heute morgen hatte sie Halsschmerzen und so schien es ihr wenig ratsam, in die Kälte hinauszugehen.«
»Das verstehe ich«, sagte Hugo. »Und ich bin sicher, sie werden es verstehen, wenn ich Sie bitte, uns für einen Augenblick zu entschuldigen, damit ich etwas mit meinem Mündel besprechen kann.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, zog er Chloe in die Bibliothek und schloß die Tür.
»Sei doch nicht so altmodisch«, meinte Chloe.
»Es geht einfach nicht so«, sagte er fest. »Es tut mir leid, ich weiß, daß du es für lächerlich hältst, und in gewissem Sinne tue ich das auch, aber es geht nicht, daß du in Begleitung einer kleinen Horde junger Männer durch die Stadt ziehst. Warum überredest du nicht eine deiner Freundinnen, euch zu begleiten?«
»Das macht keinen Spaß«, sagte Chloe mit entwaffnender Offenheit.
Hugo lächelte wider Willen. Er vermutete, daß Chloe nach zehn Jahren nichts als weiblicher Gesellschaft die hingebungsvolle Aufmerksamkeit der Männer ausgesprochen genoß.
»Also darf ich gehen?« sagte sie, als sie seinen Gesichtsausdruck weicher werden sah, indem sie daraus falsche Schlüsse zog.
»Nein, darfst du nicht.«
»Dante braucht aber Bewegung«, versuchte sie mit einem hoffnungsfrohen Lächeln.
»Dann wirst du mit meiner langweiligen Gesellschaft vorliebnehmen müssen.«
»Du bist nicht langweilig«, sagte sie. »Aber...«
»Aber ich bin keine drei jungen Männer, die dich anhimmeln.« Er schüttelte den Kopf. »Geh und verabschiede dich von deinen Verehrern, dann komm wieder her. Ich habe etwas mit dir zu besprechen.«
Enttäuscht, aber nachgiebig tat Chloe, was er gesagt hatte, und kam dann in die Bibliothek zurück.
»Wie würde es dir gefallen, eine Herzogin zu sein?« fragte Hugo.
»Überhaupt nicht«, erwiderte sie sofort. »Alresford?«
Er nickte. »Denk eine Weile darüber nach, Chloe. Abgesehen von seinem Titel ist er auch jung, gutaussehend und reich. Alresford Castle ist eines der stattlichsten Schlösser des Landes. Das Stadthaus am Berkeley Square -«
»Aber ich will ihn nicht heiraten«, unterbrach Chloe die Aufzählung der Vorzüge ihres Verehrers mit einer einfachen Feststellung.
Hugo seufzte. »Und Viscount Bartlett auch nicht, und auch nicht Charles Knightley oder den Grafen von Ridgefield.«
»Nein«, stimmte Chloe zu.
»Ich glaube, dir ist nicht klar, Mädel, daß du, wenn dir sozusagen alle jungen Männer des Adels zu Füßen liegen, auch einen ihrer Heiratsanträge annehmen mußt.«
»Aber warum denn?«
»Weil es in der Gesellschaft so gemacht wird«, sagte er und verlor die Geduld. »Du hast darauf bestanden, dein Debüt zu bekommen, damit du einen passenden Ehemann findest, und jetzt weist du alle zurück, die die Unbesonnenheit besitzen, um dich anzuhalten. Was willst du denn?«
Dich. Chloe schüttelte den Kopf. »Das werde ich wissen, wenn es mir begegnet.«
Hugo massierte sich die Schläfen. »Und inzwischen riskierst du es, deinen Ruf zu ruinieren, indem du wilde Ausflüge in der Gesellschaft von Kerlen unternimmst, die mehr Geld als Vernunft haben.«
»Wenigstens gehen sie mir nicht mit Heiratsplänen auf die Nerven«, sagte sie. »Denn daran haben sie noch kein Interesse. Und es macht
Weitere Kostenlose Bücher