Im Schatten der Leidenschaft
wieder neben Hugo setzte. »Aber ich vermute, daß Sie das auch schon bemerkt haben.«
»Allerdings«, stimmte er ihr mit einem trockenen Lächeln zu. »Sie scheint es manchmal bewußt einsetzen zu können. Dieses Mädel ist wirklich hervorragend in der Lage, ihren Willen durchzusetzen, ohne den Eindruck zu erwecken, daß sie das tut.«
Chloe hätte, wenn sie bei diesem Gespräch dabeigewesen wäre, dieser Meinung zutiefst widersprochen. Sie hatte überhaupt nicht den Eindruck, als wenn sie ihrem Ziel irgendwie nähergekommen wäre. Hugo schien sich genauso zu benehmen wie immer, aber trotzdem war er auch anders. Irgend etwas Undefinierbares fehlte in der Art, wie er sich ihr gegenüber benahm. Jene ganz besondere Aufmerksamkeit, die sie erwartete und auf die sie sich bisher verlassen hatte, war fast völlig verschwunden.
Sie versuchte mit verschiedenen Mitteln, seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Sie flirtete voller Inbrunst mit jedem beliebigen Verehrer und erntete dafür nur lachende Zustimmung. Sie ging allein los und kaufte sich das umwerfendste, schickste Ausgehkleid, daß sie finden konnte. Hugo lachte nur und forderte sie heraus, es doch einmal im Hyde Park zu tragen, wenn die ganze Gesellschaft dort promenierte.
Sie stellte dabei fest, daß Lachen eine viel stärkere Waffe war als Widerstand. Das Kleid blieb im Schrank.
Der einzige Zusammenhang, in dem sie eine besondere Aufmerksamkeit spürte, war ihr Verhältnis zu Denis DeLacy. Es fiel nicht besonders auf, aber sein Blick wurde immer besonders scharf, wenn Denis im Haus war, und wann immer sie mit ihm tanzte, spürte sie, wie Hugo sie beobachtete. Lag das daran, weil er bemerkte, daß Denis ihr deutlich besser gefiel als all ihre anderen Verehrer? Spürte er, daß diese Beziehung irgendwie in eine andere Dimension gehörte? Ganz sicher war es so - es machte ihr viel mehr Spaß, mit Denis zusammen zu sein. Er war unterhaltsamer und geschickter im Umgang mit ihr als die anderen jungen Männer, die ihr zu Füßen lagen.
Vielleicht war es das, was Hugo störte. Vielleicht war er trotz seiner äußeren Haltung doch eifersüchtig. Natürlich würde er das nicht zugeben ... weder vor ihr noch vor sich selbst... aber vielleicht war das die Erklärung.
Wenn ja, dann gab es immerhin noch Hoffnung. Mit besonderer Sorgfalt begann sie, sich gerade Denis besonders zuzuwenden.
Hugo sah der wachsenden Nähe in ihrer Beziehung zu Denis zu und beschloß nach einer Weile, daß er die Wahrheit nicht kennen konnte, denn sonst hätte er sich in Hugos Gesellschaft anders verhalten müssen. Er war viel zu jung und unerfahren, um ein solches Geheimnis trotz Hugos geschickter Beobachtung bewahren zu können.
Nachdem Hugo zu dieser Erkenntnis gekommen war, beschloß er, daß er bei dieser Freundschaft nichts zu befürchten hatte, doch aus irgendeinem Grund verging sein Unbehagen nicht.
KAPITEL 21
»Du hast immer gesagt, daß dich der Ball bei Almack’s nicht interessiert«, sagte Chloe beim Mittagessen, als Hugo ankündigte, er habe die Absicht, sie am Abend auf den Ball zu begleiten.
»Oh, eigentlich schon«, sagte er und schnitt eine hauchdünne Scheibe Schinken ab. »Seltsamerweise stelle ich fest, daß Bälle gar nicht so langweilig sind, wie ich sie in Erinnerung hatte. Vielleicht bin ich in vorgerücktem Alter unempfindlicher geworden.« Er lächelte sie über den Tisch hinweg an. Chloe senkte den Blick auf den Teller und schob ein Stückchen Huhn hin und her.
»Nun, ich muß sagen, daß ich wirklich dankbar bin, Hugo«, erklärte Lady Smallwood und nahm mehrere Pilztörtchen aus dem Körbchen vor sich. »Die Woche war so angefüllt mit Einladungen, daß ich doch etwas müde bin. Ein ruhiger Abend zu Hause wird sicher wunderbar. Ich werde Alphonse bitten, mir ein paar seiner köstlichen Krebspastetchen und eine rheinische Creme zum Abendessen zu machen.« Sie nickte mit einem zufriedenen kleinen Lächeln.
»Ich begleite Chloe wirklich gern, Madam, also denk nicht weiter daran.«
Er begleitet mich wohl gern, dachte Chloe trostlos, denn er hat ausgesprochenes Vergnügen daran, mit einem halben Dutzend Frauen zu tanzen und zu flirten, die alle erst recht in Stimmung zu kommen scheinen, wenn er den Raum betritt. Und sie waren auch gar nicht alle verheiratet. Lady Harley war eine Witwe Anfang dreißig, die Hugo als sehr angenehme Gesellschafterin zu empfinden schien. Und dann war da noch Miss Anselm, die nie geheiratet hatte und als Blaustrumpf galt, aber sie
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