Im Schatten der Leidenschaft
einfach nicht anders.«
Chloes Lächeln wurde weniger nachdenklich, und in ihre Augen trat ein prüfender Schimmer. »Das passiert doch sonst nur mir, nicht dir.« Es war schon so lange her, seit Hugo einem Impuls nachgegeben und auf diese Weise die Initiative ergriffen hatte. Ein Funke von Hoffnung glomm in ihr auf, daß diese Phase jetzt vielleicht vorüber war und sie wieder den wichtigsten Platz in seinem Leben und Denken einnehmen würde.
Hugo erkannte, was sie dachte, und zog sich mit einer heftigen Bewegung zurück. »Es war ein Kuß als Glückwunsch«, sagte er fröhlich. »Du hast wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Bist du müde?«
Das Schimmern in ihrem Blick erstarb. »Nein. Nicht besonders.«
Er versuchte, ihren Schmerz und ihre Enttäuschung nicht wahrzunehmen, und sagte sich, daß er keine andere Wahl hätte. »Also willst du immer noch zu Almack’s gehen?«
»Ja.« Chloe hob das Kinn und lächelte ihn strahlend an, wobei ihr Stolz ihr zu Hilfe kam. Sie mußte lernen, ihm nicht die Genugtuung zu geben, daß sie sich mehr von ihm erhoffte, als er geben wollte.
»Mrs. Herridge wird sich um Peg und das Baby kümmern«, sagte sie. »Jetzt ziehe ich mich zum Abendessen um.«
»Vorher solltest du dich noch bei Dolly entschuldigen, und zwar möglichst bald. Du warst sehr unhöflich zu ihr.« Er sagte das mit ruhigem Ernst, so als wäre der Kuß gar nicht geschehen.
Chloe fand es nicht schlimm, daß er das sagte, doch in diesem Augenblick und in dieser Form wirkte es auf sie wie ein Eimer mit kaltem Wasser.
An diesem Abend bei Almack’s konnte niemand mit Chloe Schritt halten. Sie schien förmlich zu leuchten, ihr helles Lachen klang in den Salons, sie tanzte mit keinem Mann öfter als einmal, und der Kreis der Verehrer um sie herum wuchs. Hugo beobachtete sie unauffällig. Wenn er es nicht besser gewußt hätte, hätte er aber behauptet, sie sei beschwipst. Aber in diesen Räumen wurden nur alkoholfreie Getränke serviert, und beim Abendessen hatte sie nicht mehr als ein Glas Bordeaux getrunken. Ihre blauen Augen besaßen ein Strahlen und ihre Wangen einen rosa Schimmer, während ihre ganze Gestalt von Energie umgeben schien, die alle ansteckte, die in ihre Nähe kamen.
Denis DeLacy war am Ende seines Lateins. Seine Anweisungen waren schon klar gewesen, hatten aber offensichtlich nicht bedacht, daß Miss Gresham gegen ernsthafte Liebesangebote immun zu sein schien. Oh, sie ermutigte ihn durchaus zum Flirten und widmete ihm schmeichelhaft viel Aufmerksamkeit, da sie ihn einer großen Anzahl von Verehrern vorzuziehen schien, doch das alles machte sie eher auf spielerische Art, die jede intensivere Annäherung unmöglich machte. Er selbst wußte, daß er ihren wahren Gefühlen nicht wirklich näherkam, doch alle anderen hielten ihn für ihren Favoriten.
Irgendwie mußte er ihr Vertrauen erlangen, sie noch mehr für sich einnehmen.
Er hatte mit einem halben Ohr zugehört, wie Julian Bentham Chloe von ihren Aktivitäten am vergangenen Abend berichtete. »Es macht wirklich Spaß«, sagte er gerade. »Billingsgate ist ein ganz besonderer Ort ... und die Menschen dort sind faszinierend. Man kann meistens kein Wort von dem verstehen, was sie sagen, und ständig gibt es Raufereien. Wir haben mindestens drei mitbekommen, stimmt’s, Frank?«
»O ja, mindestens«, gab ihm sein Freund recht. »Und wären beinahe selbst auch mit hineingezogen worden.« Er lachte laut. »Aber das allerbeste sind die Austern. Man ißt sie einfach so, stehend auf der Straße, und trinkt dazu einen Krug Bier.«
»Männer haben’s wirklich gut«, sagte Chloe. »Warum darf eine Frau so etwas nicht machen? Ich würde furchtbar gern einmal auf dem Fischmarkt Austern essen und den Leuten zusehen, ohne daß mich jemand kennt.«
»Nun, dann tu es doch einfach«, sagte Denis langsam, selbst fasziniert, wie gut seine Idee war.
»Wie soll ich das denn machen?« Chloe sah ihn neugierig an.
»Komm doch morgen einfach mit uns.«
»Und wie ?« Jetzt waren ihre Augen voller Interesse.
»Wenn du dich als junger Mann verkleidest«, schlug Denis leise vor, »dann achtet überhaupt niemand auf dich.«
Chloe klatschte in die Hände, und ihr Gesicht wirkte besonders lebhaft vor Vergnügen. »Ein wunderbarer Plan. Doch woher bekomme ich die entsprechende Kleidung?«
»Das überlaß mir«, sagte Denis. »Ich werde sie dir morgen früh in die Mount Street bringen.«
»Und wie wirst du aus dem Haus kommen?« fragte Frank und senkte
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