Im Schatten der Leidenschaft
verwandelt, und Hugo betrachtete voller Mitleid das wächserne Gesicht auf dem weißen Kopfkissen, die schmerzlich tief eingegrabenen Linien um ihren Mund und die leer wirkenden, von Furcht geweiteten Augen.
»Oh, mein Gott. Sir Hugo, dies ist doch kein Ort ...« Mrs. Herridge kam mit einer Schüssel und einem Stapel Leinentücher zurück.
»Ich habe schon schlimmere Dinge gesehen«, sagte er kurz. Die Decks eines Schlachtschiffes, glitschig von Blut, überall Tote, Sterbende, schrecklich Verwundete ... die faulige, stinkende Hölle des Lazaretts im Zwischendeck, wo Chirurgen verzweifelt unter schwankenden Laternen Glieder amputierten. »Viel schlimmere Dinge«, sagte er. »Gebt mir etwas, um ihr die Stirn abzuwischen.«
Die Haushälterin tat das wortlos, als Peg gerade noch einmal schrie und ihr ganzer Körper sich verkrampfte.
»Na also«, sagte Chloe leise, und ihre Hände bewegten sich mit sicherer Bestimmtheit. »Ah, Peg, es ist ein kleines Mädchen.« Sie sah mit strahlendem Gesicht auf, und Hugos Herz wurde weit.
Er gab sich solche Mühe, sich von ihr zu distanzieren, sich auf seine Verantwortung für sie als sein Mündel zu konzentrieren, sie nur als eifriges, impulsives Mädchen zu sehen, das sein ganzes Leben noch vor sich hatte. Und dann sah sie ihn so an, und seine Bemühungen waren umsonst. Wenn er es geschafft hätte, sie aus seinem Bett zu vertreiben, hätte er es getan, aber sein Verlangen nach ihr war unermeßlich. Er sagte sich, wenn sie erst nicht mehr Teil seines Lebens war, dann würde er dies alles hinter sich lassen können, doch so lange sie noch da war und nachts mit dieser wunderbaren, ungehemmten Leidenschaftlichkeit in sein Bett kam, konnte er einfach nicht widerstehen. Nein, er konnte sich wirklich nicht vorstellen, was für eine übermenschliche Kraft ein Mann brauchen würde, um einem solchen Geschenk zu entsagen.
Also versuchte er, aus ihren leidenschaftlichen Umarmungen ein Spiel zu machen, ihre Beziehung als eher lose zu betrachten, wo es darum ging, daß er die richtige Autorität einsetzte und nicht die Liebe. Aber jetzt, wenn er ihr Gesicht sah, das vor Freude über ihr Gelingen und das Wunder der Geburt leuchtete, war er wieder zutiefst erschüttert, wie innig seine Gefühle für sie waren. Es war Begehren an der Grenze zur Besessenheit, aber es war auch Liebe ... nicht Liebe, wie er sie für ihre Mutter empfunden hatte, sondern ein wirkliches, lebendiges Gefühl, das er beschreiben konnte. Und das würde auch nicht wieder verschwinden.
Chloe, die viel zu beschäftigt war, um Hugos faszinierten Gesichtsausdruck wahrzunehmen, durchtrennte gekonnt die Nabelschnur und brachte das Baby zu seiner Mutter. »Schau her, Peg, deine Tochter.« Sie legte das Baby auf die Brust des erschöpften Kindes.
Peg betrachtete ungerührt das Bündel Mensch, dem sie gerade das Leben geschenkt hatte. Dann drehte sie den Kopf zur Seite und schloß die Augen.
Chloe nahm das Baby wieder auf und sah mit besorgtem Blick Hugo an. »Ich denke, es ist wohl zuviel verlangt, wenn man erwartet, daß sie es sofort lieben soll. Wie seltsam, daß Menschen da ganz anders sind als Tiere.«
»Gib ihr Zeit, Mädel«, sagte er. »Sie ist erschöpft und hat viel gelitten. Laß sie eine Weile schlafen.
»Sie wird ihm die Brust geben müssen«, sagte die Haushälterin heftig. »Geben Sie es mir, Miss Chloe, und ich werde das arme Wurm saubermachen, dann kann die Mutter es anlegen, so lange ich sie wasche.«
»Ich werde Ihnen helfen.«
»Das wird nicht nötig sein, Miss Chloe. Ich weiß schon, was ich zu tun habe.«
»Komm, Chloe«, sagte Hugo leise, der verstand, was Chloe nicht in den Kopf wollte, daß auch die Haushälterin so konsterniert war wie Lady Smallwood, weil Miss Gresham sich so eindringlich um ein Mädchen aus dem Elendsviertel kümmerte.
Chloe sah hinunter auf ihre blutbefleckten Hände und ihre Schürze. »Ich sollte mich wohl auch reinigen. Ich komme dann später wieder.«
Hugo schob sie aus dem Zimmer und schloß die Tür. Dann hob er ihr Kinn und küßte sacht ihren Mund. Das hätte eigentlich alles sein sollen, doch statt dessen hob er die Hände und umfaßte fest ihren Kopf, sein Mund nahm den ihren und seine Zunge drang tief vor und ergriff in einer Heftigkeit Besitz von ihr, die sie beide überraschte.
»Oh«, sagte Chloe, als er schließlich ihren Kopf losließ. Sie sah ihn eher nachdenklich an. »Wofür war das denn?«
»Da bin ich nicht sicher«, sagte er. »Irgendwie konnte ich
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