Im Schatten der Leidenschaft
noch hinzu.
»Was?«
»Sie haben richtig gehört. Ist zu ein paar von den Kerlen in einen Wagen gestiegen, die sie immer besuchen kommen.«
»Ich wußte doch, daß sie etwas vorhatte«, murmelte Hugo. »Aus irgendeinem Grund ist es mir immer noch nicht gelungen, zu verhindern, daß sie sich derart daneben benimmt. Es ist höchste Zeit, das zu ändern, scheint mir.«
»Ich muß sagen, Chloe, in diesen Kleidern siehst du nicht im geringsten wie ein Junge aus«, sagte Julian mit leichtem Schluckauf, und sein schon etwas glasiger Blick starrte die schlanke Gestalt auf dem Sitz gegenüber an. Er hielt sich eilig fest, als der Wagen um eine Kurve fuhr.
»Ich weiß«, sagte Chloe. »Seid ihr alle angetrunken?«
»Denis nicht«, erklärte ihr Frank mit einem schiefen Grinsen. »Nüchtern wie ein Richter, stimmt’s nicht, Denis? Während wir fröhlich gezecht haben, hat Denis nämlich noch seine Mama unterhalten.«
»Scheint ja ein Glück zu sein, daß wenigstens einer nüchtern ist«, erklärte Denis. »Sonst würden wir ja nie hinkommen, wo wir hinwollen.«
Er konnte kaum den Blick von Chloe losreißen. In einer Nacht in der Krypta hatten sie schon mal als Jungen verkleidete Mädchen gehabt. Bei der Erinnerung schossen Blitze von Lust in seine Lenden, und er rückte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her und war froh, daß es so düster war in der Kutsche. Er wandte den Blick von dem erregenden Anblick ab und bemühte sich, die wilden Bilder zu unterdrücken. Wenn er als Belohnung für seinen Erfolg Chloe auf diese Art besitzen wollte, würde ihm Stephen sicher die Erlaubnis geben ...
Der Wagen blieb stehen und bewahrte ihn vor einem Gedankengang, der unter den gegenwärtigen Umständen ganz sicher nicht hilfreich gewesen wäre.
»Da sind wir.« Frank stolperte aus der Kutsche und fiel auf das Knie. Er lachte unpassend laut, als wäre das unglaublich komisch, stand dann wieder auf und wankte nach vorn, um den Kutscher zu bezahlen.
Denis stieg mit einem geschmeidigen Sprung aus dem Wagen und hob die Hand, um Chloe herunterzuhelfen. Sie sprang neben ihn und stellte vergnügt fest, daß Hosen manche Dinge doch deutlich vereinfachten. Julian erschien erst nach ein paar Minuten, nachdem er das düstere Kutscheninnere nach einem verlorenen Handschuh durchsucht hatte. Doch schließlich waren sie alle sicher draußen, und der Wagen fuhr davon.
Die Szene unter dem veränderlichen, orangefarbenen Licht von Pechfackeln, Öllampen und Kohlenbecken brodelte vor Leben, Wagen rasselten über das Kopfsteinpflaster, und Männer und Frauen kamen angelaufen, um die Weidenkörbe mit den noch lebenden Fischen auszuladen. Der Boden war feucht und glitschig von Fischsuppen, und Chloe rümpfte die Nase bei dem intensiven Geruch nach frischem und vergammelndem Fisch.
Die Luft war erfüllt von den lauten Rufen, mit denen Kutscher ihre Pferde weitertrieben, mit kreischendem Gelächter oder wilden Flüchen von Frauen, die mit vollen Körben durch die Menge hasteten, und dem Geschrei der Händler, die ihre Waren anpriesen.
»Mein Gott im Himmel«, sagte Chloe, als sie den besonders saftigen Austausch zwischen zwei massigen Frauen mit steinharten Unterarmen mit anhörte. »Von denen könnte ja Falstaff noch was lernen.«
»Wer ist das denn?« fragte Frank verwaschen.
»Einer von diesen Typen bei Shakespeare«, teilte ihm Julian mit einem wissenden Nicken mit. »Erinners’ du dich nich’ ?«
Frank schüttelte den Kopf. »Eigentlich nich’.«
»Ich habe damit aber einen Papagei gemeint«, sagte Chloe.
»Oh nein ... kein Papagei.« Diesmal schüttelte Julian den Kopf. »Da täusch’ du dich, Mädchen. Ich weiß genau, daß das einer bei Shakespeare is’.«
»Ja, aber ein Papagei auch ... ach, ist doch egal.« Chloe gab es auf, ein sinnvolles Gespräch mit ihren beiden benebelten Begleitern führen zu wollen. »Laßt uns ein paar Austern suchen.«
»In dem Zelt da drüben.« Denis übernahm die Führung und umfaßte locker ihren Ellenbogen, während er sie in ein lautes Zelt geleitete, an dessen Eingang zwei Laternen schwankten und die Hände einer Frau beleuchteten, die mit unglaublicher Geschwindigkeit Austern aus ihren Schalen löste. Sie trug keine Handschuhe, und ihre Hände hatten dicke Schwielen von der jahrelangen Arbeit mit den scharfkantigen Schalen.
»Vier Dutzend, gute Frau«, verlangte Frank, der schwankend vor ihr stand.
»Macht einen Schilling«, sagte die Frau ohne aufzusehen.
»Unsinn«, sagte Denis. »Gestern
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