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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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Aufgabe, die hier auf sie wartet, wie im Urlaub. Sie mag Whitmouth und glaubt, auch seine Bewohner zu mögen.
    Wie die große Gruppe, die etwa einhundertfünfzig Meter von ihr entfernt, am Strand herumlungert: eine dieser Arbeiterklassepartys, bei denen die Frauen zusammensitzen, während die Männer rau und mit Ellbogeneinsatz herumbolzen, mit zahlreichen Pausen, um zischendes Lager aus Dosen zu trinken und einen krumm gedrehten Joint zwischen sich herumgehen zu lassen. Die Art von Zusammensein, denkt sie, für das ich vor langer Zeit dankbar gewesen wäre, wenn ich daran hätte teilhaben können. Vielleicht gefällt es mir deshalb hier. In einem anderen Leben hätte ich es für das Paradies gehalten.
    Und dennoch steht sie jetzt an der Stelle, an der Nicole Ponsonby, das erste Opfer in diesem Sommer, gefunden wurde. Nicole hatte ziemlich friedlich dagelegen, mit dem Gesicht nach oben, den Kopf auf dem angewinkelten Arm abgelegt. Sie hätte für jedermann wie eine weitere jugendliche Sonnenanbeterin aussehen können, wäre da nicht der Umstand gewesen, dass sie auf einem Haufen Lumpen und Flaschen im tiefen Schatten der Mole lag und ihr Gesicht blau verfärbt war.
    Das war am 13. Juni gewesen. Nicole war seit vier Tagen in Whitmouth, als sie den Tod fand. Zuletzt war sie auf der Suche nach Pommes aus dem Sticky Wicket Pub getaumelt, zugeschüttet mit Snakebite, diesem Mischgetränk aus Cider und Lagerbier, und mit einem Knutschfleck am Hals. Sie stammte aus Lancashire, war neunzehn und hatte im Vorjahr die Schule verlassen, mit Einsen in Gastronomiekunde und Betriebswirtschaft. Sie wollte ins Hotelgewerbe und hatte die vorangegangenen drei Monate als Empfangsdame im Jurys Inn in Manchester gearbeitet. Der Ausflug nach Whitmouth war teilweise eine Erkundungstour gewesen, um herauszufinden, ob sie in einem der Hotels an der Küste von Kent in der Nahrungskette nicht ein Stück höher rücken konnte. Sie hatte keinen Freund, schon seit der Oberstufe nicht mehr.
    Sie war als Kind zwei- oder dreimal mit ihren Eltern, Susan und Grahame, hergekommen sowie mit ihren beiden Brüdern Jake und Mark. Ein nettes, sauberes und die überwiegende Zeit anständiges Mädchen– gewöhnlich nicht außer Rand und Band, aber auf Teenagerart zusammen mit ihren Freunden locker und ausgelassen. Niemand hatte sie zwischen dem Zeitpunkt, da sie den Pub verlassen hatte, und dem, als sie zwölf Stunden später erwürgt aufgefunden wurde, gesehen. Natürlich nicht: Sie war unauffällig, und die Straßen waren überfüllt.
    Während Kirsty so dasteht und über das Mädchen und die Umstände seines Todes nachdenkt, bleibt ein Mann im Anorak vor ihr stehen– sie findet, dass er wie ein Hermelin oder wie ein Frettchen aussieht, mit diesen spitzen Zähnen und den wachsamen Augen.
    » Kann ich Ihnen helfen?«, fragt er. Seine Stimme ist flach, nasal, ausdruckslos.
    » Nein, danke«, sagt sie und versucht, nett und freundlich zu klingen, aber eindeutig. Doch dann fügt sie hinzu: » Na ja, eigentlich doch, wo Sie mich schon fragen. Sind Sie aus der Gegend hier?«
    » Ja«, erwidert er mit einem Anflug von Ärger, als wäre die Antwort so offensichtlich, dass ein Kind sie sehen könnte.
    » O, schön. Ich habe Schwierigkeiten gehabt, jemand zu finden, der kein Tourist ist.« Das ist eine kleine Lüge. Die Wahrheit ist, dass die Ortsansässigen, die sie ausfindig gemacht hat, eine bewunderungswürdige Loyalität zu ihrem Heimatort an den Tag gelegt haben, und sie verfügt über alarmierend wenig Zitate à la » Habe Angst, vor die Tür zu gehen« oder » Liege zitternd im Bett«, die die Bewohner von Cheltenham so dankbar für ihre Immobilienpreise machen. » Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie frage, wie Sie sich bei alldem fühlen? Den Morden? Als Einheimischer?«
    Misstrauen flackert auf. » Wieso wollen Sie das wissen?«
    Kirsty passt sich der Situation an. Dreht ihren durchschaubaren Charme eine Stufe höher. » Natürlich. Entschuldigung. Ich hätte mich vorstellen sollen.« Sie streckt ihm die Hand hin, obwohl ihr der Gedanke, seine gräuliche Haut zu berühren, Unbehagen bereitet. » Kirsty Lindsay. Von der Sunday Tribune. Ich schreibe einen Artikel über–«
    » Ich weiß, worüber Sie schreiben«, sagt er und plustert sich dabei auf vor Stolz. Das hat man manchmal. Auch wenn die meisten Menschen bei Journalisten nervös werden, besorgt, zu viele Informationen über sich selbst preiszugeben, unsicher, wohin eine Frage führen könnte, gibt

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