Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
Nachmittag zubereitet hat. Er wirft den Salat in die Schüssel, gießt das Dressing darüber und mischt. Elend, wie ihr ist, findet Kirsty die Küchenschere und beginnt, den eingeschweißten Lachs aufzuschneiden. Ihre Hände zittern sichtbar.
» Es tut mir leid, Jim«, sagt sie zum achtzehnten Mal und legt dabei die Fischscheiben so ordentlich wie möglich auf die Teller. » Ehrlich. Das wollte ich nicht.«
Er ist so wütend, dass er sie nicht einmal ansehen kann, als er Salat neben dem Fisch verteilt. » Ich glaube wirklich, ein Tut-mir-leid reicht nicht ganz. Du hast gewusst, wie wichtig dieser Abend ist. Du bist einfach nur– egoistisch. Mir fällt kein anderes Wort dafür ein. Einfach verdammt egoistisch.«
» Ja«, sagt sie reumütig. » Ich weiß. War ich. Und es tut mir ehrlich, ehrlich leid.«
Kläglich schneidet sie ein Tütchen Senfsoße auf, das sich ebenfalls in der Fischpackung befand. Quetscht sie über einem Teil des Lachses aus.
» NEIN !« Er packt sie am Handgelenk, und sein Schrei ist laut genug, um jenseits der Tür hörbar zu sein. Das Stimmengemurmel erstirbt für einen Moment. Jemand kichert.
» Was?«
» Doch nicht das Zeug aus der Packung, du blöde Kuh. Ich hab was vorbereitet.« Er schwenkt einen Messbecher mit identisch gelber Pampe, der neben der Spüle gestanden hat.
» Ach du Scheiße, entschuldige.«
Er schüttelt wieder den Kopf und kann seine Wut nur schwer unterdrücken. » Geh einfach aus dem Weg. Ich mach das. Ich kann nicht glauben, dass du mir das antust. Das sind Leute, die ständig in Restaurants essen. Als ob die nicht merken würden, wenn die Soße aus der Tüte ist.«
» Sorry«, sagt ihr Autopilot. Sie fühlt sich so erbärmlich, dass sie sich wundert, überhaupt noch auf den Beinen zu sein. Alles, was sie sich wünscht, ist, sich vor dem Fernseher zusammenzurollen und zu dösen, bis Zeit zum Schlafgengehen ist. Ich werde nie wieder Alkohol trinken, denkt sie, zum siebenhundertdreiundsechzigsten Mal in ihrem Leben.
Jim verteilt die Soße, dreht sich um und reicht ihr zwei Teller. » Da. Bring die raus. Du kriegst den mit der gekauften. Den bring ich als Letztes raus. Und reiß dich um Himmels willen zusammen.«
Kirsty schluckt. Gemeinsam gehen sie zu ihren Gästen zurück.
» Hoch die Tassen!«, sagt Lionel Baker, und sie zuckt zusammen: Selbst in ihrem angeschlagenen Zustand verursachen ihr Golfklubphrasen eine Gänsehaut.
» Zum Wohl«, sagt sie und hebt ihr unberührtes Glas. Führt es zum Mund, nimmt jedoch keinen Schluck. Zum Teil weil sie befürchtet, dass ihre Leber explodiert, wenn auch nur ein Tropfen Alkohol in ihren Körper gelangt, aber hauptsächlich, weil sich Jims Blick jedes Mal wie ein Laserstrahl in sie hineinbohrt, wenn ihre Hand sich zum Stiel des Glases verirrt.
Sue Baker kichert und stößt mit ihr an. » So ein witziger Spruch«, sagt sie. Sue hat’s echt drauf: eine Frau, die sich genau in dem Moment dazu entschied, sich ein schönes Zuhause zu schaffen, als sie sich einen Börsenmakler geangelt hatte, und die keinen originellen Gedanken mehr hatte, seit sie beschloss, bei ihrer Hochzeit Kohlköpfe als Tischschmuck zu verwenden. Ich muss nett sein, denkt Kirsty. Wenn Jim sich durch diese Leute einen Job verschaffen will, müssen sie sich daran erinnern, was für gute Gastgeber wir sind. Lionel ist zehn Jahre älter als Jim, hat fünfundzwanzig Zentimeter mehr um die Taille und ist zehnmal zufriedener mit sich selbst. Aber er ist auch seit Jahren Partner bei Marshall & Straum, und alle wissen, dass er jetzt, wo die große Scheißflaute vorüber ist, wieder Leute einstellt. Jim und Gerard Lucas-Jones, der andere Ehemann am Tisch, waren in seinem Team, als er befördert wurde. Alle tun so, als wären sie alte Freunde.
Sue stellt ihr Glas ab und greift nach ihrem Besteck. » Wie herrlich«, sagt sie leicht herablassend. » Ich habe schon ewig keinen Graved Lachs mehr gehabt. Haben Sie den selbst gebeizt?«
Klar hattest du keinen, denkt Kirsty boshaft. Graved Lachs ist so was von Achtziger, Süße. Tut mir leid, dass die Skilfisch-Sashimi schon aus waren, als ich in den Supermarkt kam.
» Leider nicht«, sagt Jim. » Kirsty war unterwegs, arbeiten. Aber die Soße habe ich selber gemacht.«
Sie lächelt in sich hinein. Jim ist stolz darauf, » gut« im Haushalt zu sein, das war er schon immer. Aber dies ist nicht das richtige Image für einen Beherrscher der Welt, fällt ihm ein. » Das ist einer der Riesenvorteile, wenn man von zu
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