Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
wienert das Chrom trocken und stellt die Tasse auf das zusammengefaltete Geschirrtuch auf dem Abtropfgestell.
Draußen im Garten klingelt Jackies Handy.
» Geh nicht ran«, sagt Amber. » Lass es.«
Jackie betrachtet das Handy, als wäre es ein Scheißhaufen, den sie in ihrer Handtasche gefunden hat. » Hatte ich auch nicht vor.«
Das Klingeln hört auf. Jackie steckt sich eine weitere Zigarette an. Amber verkneift es sich, die Augen zu verdrehen.
» Ich werde Vic bitten, das Gästebett herzurichten«, sagt sie zu Jackie.
» Mein Gott, er ist so toll«, sagt Jackie. » Wie hast du den bloß gefunden?«
Ihr Handy klingelt erneut.
KAPITEL 10
Ich bin eine miserable Ehefrau. Er ist wirklich genervt von mir, und ich kann es ihm nicht verdenken. Mein Gott, wäre dieser Abend doch schon vorbei! Was zum Teufel hat mich dazu getrieben, mich derartig bescheuert zu verhalten? Bestimmt hätte ich mich heute Nachmittag noch nicht einmal in dieses Auto setzen und fahren dürfen.
Heimlich schüttet Kirsty in der Küche einen halben Liter Wasser in sich hinein und spült damit drei Ibuprofen hinunter. Sie fühlt sich, als wäre ihr Inneres nach außen gestülpt, und ihr Schuldbewusstsein macht alles noch schlimmer. Es ist wie ein Rausch, denkt sie. Nicht das Trinken als solches, sondern die Gesellschaft von Journalisten. Ein Dutzend Zeitungsschreiber können einfach keinen Abend miteinander verbringen, ohne sich zu betrinken, dass sie kaum noch aufrecht stehen können; jedenfalls kann sie sich nicht daran erinnern.
Sie leert das Glas und füllt es erneut. Öffnet den Kühlschrank und entnimmt ihm den gebeizten Lachs und die Salatbeutel. Die Art Essen, das sie sich seit Monaten nicht geleistet haben. Doch ein innerer Zwang hat sie durch die Gänge des Supermarkts getrieben wie die Frau eines Fußballspielers mit einem Gehaltsscheck von Manchester United. Die ganze Familie würde als Preis für dieses Abendessen den Rest der Woche zwar von Reis und Bohnen leben müssen, aber das weiß von den Leuten im Esszimmer niemand. Erfolg gebiert Erfolg, deshalb müssen sie diese Geldmenschen davon überzeugen, dass er keinen Job braucht, damit er einen kriegt. Die guten Beilagenteller stehen– allesamt mackenfrei– aufgereiht auf der Arbeitsplatte, und alles, was sie zu tun hat, ist, sie dekorativ zu befüllen, während ihre Gäste Sophies in Sémillon-Chardonnay angelegtes Schuhgeld vertrinken.
Sie verspürt den Drang, sich zu übergeben, unterdrückt ihn aber. Flaming Shooters. Und dann in deinem Alter! Egal in welchem Alter! Was um alles in der Welt ist in dich gefahren?
Weil es Spaß gemacht hat. Weil ich die Gesellschaft von Journalisten liebe. Weil ich die lässige Intelligenz mag, mit der sie miteinander konkurrieren, den Wortschwall, mit dem sie ihre politische Überzeugung vertreten, wie sie darum wetteifern, alles auf der Welt auf eine Schlagzeile zu reduzieren, ihre zynische Suche nach dem perfekten abwertenden Begriff. Weil ich es satt habe, brav und geduldig zu sein, weil ich jetzt seit Monaten auf Sparflamme lebe und einfach mal über die Stränge schlagen musste, und weil mich meine Runde im White Horse früh erwischt hat und weil ich auch mal auf meine Kosten kommen wollte. Weil sich nicht beschreiben lässt, was eine Stadt ausmacht, in die die Leute kommen, um sich zu besaufen, solange man es nicht selbst ausprobiert hat. Weil wir den ganzen Tag lang Einzelheiten über den Tod von fünf jungen Mädchen ausgebuddelt haben, was trotz unserer herzlosen Schale deprimierend genug ist, um uns zur Flasche greifen zu lassen. Und weil ich dieses Abendessen schlicht und einfach komplett vergessen habe.
Die Tür schwingt auf, und Jim kommt herein, das gesellige Gastgeberlächeln verschwindet aus seinem Gesicht, als er über die Schwelle tritt. Er wartet, bis die Tür sich wieder geschlossen hat, bevor er spricht.
» Verdammt noch mal, Kirsty«, zischt er. » Was soll das?«
Ihre Haut fühlt sich rau an unter der dicken Lage Make-up, die sie aufgelegt hat, um ihre Blässe zu kaschieren. » Sorry«, sagt sie. » Musste eine Schmerztablette nehmen.«
Jims Kieferknochen sind wie aus Beton, als er sich die Salatbeutel schnappt. » Herrgott noch mal«, sagt er. » Das übernehme ich. Du machst den Lachs auf.«
Er dreht ihr den Rücken zu und reißt die Beutel auf. Erbsensprossen, Brunnenkresse und Rucola– der Traum aller Fernsehköche. Neben der Salatschüssel wartet ein kleiner irdener Krug mit Dressing, das er am
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