Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
diebischen Enkeln gab, die auf Ben Walkers Schweinefarm herumtollten. » Sie meinen also, es sei genetisch bedingt?«
» Nun, Sie können nicht leugnen, dass es in Familien eine gewisse Häufung gibt.«
Kirsty denkt plötzlich daran, dass es in der Küche noch Senf gibt; sie entschuldigt sich und macht sich auf den Weg, ihn zu holen. Für den Augenblick mag sie nichts mehr hören.
11 UHR
» Nein! Raus!«
Bel schaut auf und vermutet, dass ein Hund in den Laden gekommen ist. Ein Mädchen ihres Alters steht auf der Schwelle. Kleiner als sie und mit einem verkniffenen, feindseligen Gesichtsausdruck.
Mrs Stroud kommt hinter der Verkaufstheke hervor und wedelt mit einer Hand Richtung Tür. » Raus!«, bellt sie.
» Ach, kommen Sie«, sagt das Mädchen. » Ich möchte nur ein Kitkat.«
» Na klar«, sagt Mrs Stroud. » Raus!«
Das Mädchen ist auf eine schlecht ernährte Art dick. Sie trägt einen ausgeblichenen, rot gepunkteten Rüschenrock, der sich über den Knien kräuselt, und ein viel zu enges gestreiftes Oberteil mit Nackenträgern. In ihren Ohrlöchern baumeln ein Paar billige Goldreifen. Ihr braunes, leicht fettiges Haar ist mit einer Küchenschere uneben auf Kinnlänge abgeschnitten. Bel sucht sich weiter ihre Süßigkeitenmischung aus. Versucht, unauffällig hinzusehen, aber das gelingt ihr nicht besonders gut.
» Nein, sehen Sie.« Das Mädchen öffnet die Hand, um ein Zwanzigpencestück vorzuzeigen. Bestimmt genug für ein Kitkat und vielleicht noch ein paar Fruchtgummis. » Ich hab Geld.«
» Ach, tatsächlich?« Die Frau hat die Tür erreicht und hält sie auf. » Und wo hast du das geklaut?«
Das Mädchen sieht wütend aus.
» Los jetzt. Raus mit dir. Du weißt genau, dass hier keine Walkers reindürfen.«
Aha. Jetzt versteht Bel. Sie ist eine Walker. Tatsächlich hat sie noch nie einen von ihnen aus der Nähe gesehen, abgesehen von der unwahrscheinlich fetten Mutter mit den zotteligen Haaren, die ab und zu einen leeren Kinderwagen zur Bushaltestelle schiebt. Aber der ganze Ort weiß, wer die Walkers sind.
» Ach, kommen Sie schon!«, versucht das Mädchen es noch einmal.
» Nein! Raus!«
Das Walker-Mädchen macht auf dem Absatz kehrt und trottet davon. Mrs Stroud wirft die Tür hinter ihr so fest zu, dass die Ladenglocke volle drei Sekunden lang bimmelt. Dann quetscht sie sich wieder hinter die Verkaufstheke, hockt sich auf ihren Stuhl und blättert weiter in einer vorbestellten Ausgabe von Wahre Geschichten , die noch nicht abgeholt wurde.
» Wie geht’s deiner Mutter und deinem Vater?«, fragt sie plötzlich.
» Stiefvater«, korrigiert Bel.
» Von mir aus«, sagt Mrs Stroud. Sie ist eine zänkische Frau, auch ohne einen Walker in ihrem Laden. Es gefällt ihr, ihn als » Herzstück des Dorfs« zu bezeichnen. Was bedeutet, dass er der Ort ist, an dem ein Großteil der lokalen Bosheiten und Gerüchte gesammelt und verbreitet werden. Und sie weiß, dass sie als Besitzerin des einzigen Geschäfts im Dorf eine Kundschaft hat, die darauf angewiesen ist, sich gut mit ihr zu stellen und ihre Gewinnspanne sowie ihr garstiges Mundwerk aus praktischen Gründen hinzunehmen.
» Sind in Malaysia«, sagt Bel.
» Malaysia? Wieso das? Auf Urlaub?«
Bel grunzt.
» Also, was jetzt? Haben deine Schwester mitgenommen, wie?«
Bel seufzt. » Ja«, erwidert sie. » Halbschwester«, fügt sie hinzu.
» Dann wundert es mich, dass sie dich nicht auch mitgenommen haben.« Die Bemerkung ist gezielt und spitz. Ach, wie sie es liebt, Kindern eine reinzuwürgen!
Bel wird langsam sauer. » Na ja«, sagt sie. » Ich glaube nicht, dass sie dabei an Ihre Reaktion gedacht haben.«
Mrs Stroud ist beleidigt. Das ist ihre Grundhaltung. » Na also!«, sagt sie. » Kein Grund, so zu reden!«
Bel sagt nichts. Mrs Stroud befeuchtet mit der Zungenspitze einen Finger und blättert geräuschvoll einige Seiten weiter.
» Ich kann dir genauso leicht verbieten, hier reinzukommen, wie einem Walker«, platzt sie heraus. » Glaub bloß nicht, nur weil du aus dem Herrenhaus bist, würde das was ändern.«
Bel hat ihr den Rücken zugewandt und verdreht die Augen. Sie dreht sich um, schaut in den Laden und schenkt der alten Schrulle ein breites Lächeln. » Verzeihung, Mrs Stroud«, sagt sie mit zuckersüßer Stimme.
» Das will ich meinen«, sagt Mrs Stroud. » Ich glaube nicht, dass es deinem Vater gefallen würde zu erfahren, dass du so mit einem Erwachsenen sprichst.«
» Stiefvater«, sagt Bel.
» Von mir aus«, sagt Mrs
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